Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tempus (German Edition)

Tempus (German Edition)

Titel: Tempus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maud Schwarz
Vom Netzwerk:
gebeugt mit Kleon und Lucius im Nacken. Angestrengt versuchte Filippa, meinem improvisierten Vortrag über das Ziehen der Fäden zu folgen. Öfter als unbedingt nötig berührte ich dabei mit meinen Fingerspitzen Marcius’ Bein in Höhe der Wunde. Ich konnte einfach der Versuchung nicht widerstehen, noch einmal seine glatte, warme Haut zu spüren. Marcius zuckte unter meiner Berührung jedes Mal leicht zusammen, den Blick starr zur Decke gerichtet.
    »Bist du bald fertig?«, presste er zwischen den Zähnen hervor.
    »Ja, wenn Filippa keine Fragen mehr hat, war’s das.«
    »Ich glaube, ich habe alles verstanden«, brachte Filippa mit Mühe hervor. Ich sah, wie sie ihre Hände knetete.
    »Gut. – Dann verbinde ich jetzt wieder die Wunde.« Langsamer als sonst wickelte ich eine frische Mullbinde um Marcius’ Bein. Mit jedem Zentimeter, den ich verbrauchte, rückte der Abschied näher.
    »Fertig!«
    Marcius reagierte nicht. Hinter mir hörte ich ein Geräusch. Lucius und Kleon waren noch immer im Raum, was das Verabschieden nicht gerade leichter machte.
    Ich holte tief Luft und sagte: »Ich bin fertig. Leb wohl, Marcius!«
    Fast widerwillig drehte er seinen Kopf zu mir. Unsere Augen trafen sich und hielten sich für mehrere Sekunden lang fest. Wenigstens kam es mir so vor.
    »Danke«, sagte Marcius. Dann blickte er wieder zur Zimmerdecke hoch.
    Unschlüssig stand ich vor seinem Bett.
    »Komm, wir müssen deine Sachen holen.« Filippa zog mich nach einem kurzen Blickwechsel mit Kleon aus dem Zimmer.
    »Stimmt, die hätte ich fast vergessen. Das Beste ist, ich ziehe sie gleich an. Dann kann ich dir auch endlich deine Tunika zurückgeben.«
    Ich schien einen sehr niedergeschlagenen Eindruck zu machen, denn Filippa nahm mich auf dem Flur vor Marcius’ Zimmer spontan in den Arm.
    »Du wirst mir fehlen, Elina. Die Tunika kannst du behalten. Als Erinnerung. Damit du mich nicht vergisst.«
    »Ich werde dich niemals vergessen«, erwiderte ich mit belegter Stimme.
    Gemeinsam gingen wir in ihr Zimmer. Dort lagen meine Jeans und meine Bluse sauber gewaschen auf dem Schemel. Mit einem Seufzer zog ich mich um, faltete Filippas Tunika und steckte sie in einen Lederbeutel, den sie mir reichte. Wir umarmten uns noch einmal.
    »Leb wohl und vielen Dank für alles«, flüsterte ich.
    »Irgendwann werden wir uns wiedersehen«, lächelte Filippa. »Bis dahin, pass auf dich auf!«
    Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Mir war klar: Wenn ich den Weg zurückfand, würde ich Filippa niemals wiedersehen. Genauso wenig wie Marcius.

Gefährliches Pulverfass

    Zusammen mit Kleon verließ ich das Haus. Ich war in einer merkwürdigen Stimmung. Einerseits hoffte ich inständig, den Weg zurück in die Gegenwart zu finden und meine Eltern endlich wiederzusehen. Andererseits war ich traurig, diese Welt hinter mir lassen zu müssen. Schweigend liefen Kleon und ich den Sandweg entlang, den wir vor über einer Woche auch entlanggegangen waren. Nur in umgekehrter Richtung.
    »Weißt du noch, wo genau du mich gefunden hast?«, fragte ich.
    »Irgendwo dort drüben.« Kleon zeigte mit der Hand auf eine Baumgruppe rechts vor uns. »Wieso?«
    »Ich vermisse seitdem meinen Armreif«, log ich. »Vielleicht liegt er dort auf dem Boden. Ich würde gern mal nachsehen.«
    »Meinetwegen«, brummte Kleon und verlangsamte kurz darauf den Schritt. »Auf dieser Höhe etwa war es.« Er nickte mir auffordernd zu. Mit weichen Knien verließ ich den Sandweg und quetschte mich an Sträuchern und Büschen vorbei bis zu der Stelle, wo die Zypressen und Platanen standen. Suchend schaute ich mich um. Wo mochte das Tor zur Gegenwart sein? Ob es wohl noch geöffnet war? Die Bäume sahen für mich alle gleich aus. Obwohl es noch nicht so lange her war, konnte ich mich nicht daran erinnern, an welchen Stamm ich gelehnt hatte, als das Unglaubliche geschah.
    »Hast du den Armreif?« Kleon war mir gefolgt.
    »Nein, leider nicht.« Ich ging von einem Baum zum nächsten und tat so, als würde ich den Boden absuchen. Dabei lehnte ich mich möglichst unauffällig an jeden der Stämme. Nichts passierte.
    »Bist du sicher, es war hier?«, fragte ich Kleon. »Ich meine, weißt du welcher Baum es genau war, an dem ich stand?«
    »Könnte hier gewesen sein.« Kleon deutete mit seinem Kinn auf eine mächtige Platane. »Vielleicht hast du den Armreif ja woanders verloren«, sagte er plötzlich misstrauisch.
    »Warte, ich gucke hier noch mal nach«, entgegnete ich rasch. Wie zufällig lehnte

Weitere Kostenlose Bücher