Tempus (German Edition)
Verus, der sich wieder gefangen hatte, und lief seinem Freund hinterher.
Marcius reagierte nicht.
Völlig benommen stand ich von der Bank auf und folgte den beiden mit gesenktem Blick. Als ich ihn wieder hob, konnte ich Marcius und Verus nicht mehr sehen. Es war so dunkel und es gab so viele Gänge, in denen man sich verlaufen konnte. Und ich war so durcheinander.
In der Ferne tauchte ein Lichtschein auf. Flötenspiel drang zu mir. Dort vorn musste der Speisesaal sein. Statt weiter geradeaus zu gehen, bog ich kurz entschlossen nach rechts ab. Ich konnte jetzt beim besten Willen nicht mit Quintus in ein und demselben Raum sein. Stattdessen lief ich in Filippas Zimmer, in dem ich mich einigermaßen sicher und halbwegs geborgen fühlte. Ein besserer Ort fiel mir nicht ein, jedenfalls nicht in dieser Welt.
Aufgewühlt wanderte ich zwischen ihrem und meinem Bett umher. Was jetzt? Ich hatte noch immer Mühe zu begreifen, was vorgefallen war. Bei dem Gedanken an Quintus’ Hand auf meinem Knie schüttelte ich mich. Es war einfach zu eklig! Mit einem Ächzer ließ ich mich auf meine Holzpritsche fallen. Ich legte die Hände vor die Augen und versuchte, meinen Atem und meinen Herzschlag zu beruhigen.
»Du kannst dich hier nicht verkriechen. Du musst zurück in den Esssaal. Dein Verhalten ist unhöflich.« Filippa kam mit einer Öllampe in der Hand hinter dem dünnen Vorhang hervor, der das Zimmer vom Flur abgrenzte.
»Das ist mir egal«, sagte ich.
»Elina!«
»So wie ich aussehe, kann ich nirgendwohin.«
Filippa kam näher und leuchtete mir mit ihrer Lampe ins Gesicht. »Du hast ja geweint! Was ist geschehen?«
»Nichts. Is’ egal«, winkte ich ab.
»Was für ein Durcheinander«, klagte Filippa und setzte sich auf meine Bettkante. »Kurz nachdem ich dich in den Garten geschickt hatte, kam Neilos zur mir – du weißt schon, der große schlanke Sklave. Er wollte wissen, wo du seist. Ich sagte es ihm. Kleon hatte ihn beauftragt, nach dir zu suchen. Etwas später fing mich Verus auf dem Gang vor dem Esssaal ab und fragte, ob ich Senator Gaius Quintus gesehen hätte. Verus war richtig aufgeregt, weil der Senator auf einmal verschwunden war. Eigentlich wollte Quintus wohl nur kurz austreten, aber er kam einfach nicht von der Latrine zurück. Ich hatte keine Ahnung, wo er war. Dafür sagte ich Verus, dass du im Garten seist und schon ein Sklave nach dir sehen würde. Verus lief sofort zum Garten. Kurz darauf sah ich, wie Marcius nach Verus suchte. Ich schickte ihn ebenfalls zum Garten. Was für ein Durcheinander!«
»Woher wusste Quintus, dass ich im Garten war? Das Haus ist so groß. Ich hätte überall sein können«, schniefte ich.
»Er war im Garten bei dir?« Filippa zog die Augenbrauen hoch.
»Ja.«
»Ich nehme an, er hat mein Gespräch mit Neilos belauscht«, erwiderte sie nachdenklich.
»Neilos habe ich nicht gesehen. Nur Quintus, Verus und Marcius.«
»Seltsam! Wahrscheinlich hat Quintus Neilos abgefangen und ihn weggeschickt.« Filippa machte eine Pause, bevor sie fortfuhr: »Was auch immer genau passiert sein mag, es tut mir leid, Elina. Vielleicht magst du mir später davon berichten. Jetzt muss ich zurück an die Arbeit. Sonst bekomme ich Ärger. Willst du dir nicht das Gesicht waschen und mich begleiten?«
»Nein, ich bleibe hier. Ich will niemanden sehen.«
»Hältst du das für klug?«
»Ist mir egal.«
»Wie du meinst.« Filippa stand auf und ging mit der Öllampe in Richtung Vorhang, der sich durch den Windzug leicht bewegte. Filippas Schatten tanzte auf der Wand. »Ich werde versuchen, dich zu entschuldigen.«
»Danke«, murmelte ich.
Ihr Schatten glitt aus dem Zimmer, und ich blieb allein zurück mit meinen Gedanken. Filippa hatte recht. Der ganze Abend war ein einziges Durcheinander gewesen. So wie es aussah, hielten mich Lucius und Marcius unsinnigerweise für Quintus’ Spionin. Oder sah ich jetzt schon Gespenster? Wenn sie mich für seine Spionin hielten, überlegte ich, konnte dies nur bedeuten, dass sie nicht auf Cäsars Seite standen. Denn Quintus galt als Cäsars Anhänger, wie mir Filippa vormittags erzählt hatte. Blöderweise hatte Quintus mich vor Verus’ Augen betatscht. Hoffentlich hatte mir Verus wirklich geglaubt, dass es gegen meinen Willen geschehen war. Und als wäre das nicht alles schon schlimm genug, hatte Marcius gesehen, wie ich in Verus’ Armen gelegen hatte und mit Sicherheit daraus völlig falsche Schlüsse gezogen. Ich stöhnte laut auf. Es war wirklich
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