Tempus (German Edition)
mitkommen?«, fragte ich.
»Nein, du gehst am besten in dein Zimmer und wartest bis wir dich rufen«, entschied Kleon. Die beiden eilten davon. Ich räumte das Essen und das Geschirr vom Tisch ab und brachte es in die Küche zu Lea. Wieder einmal hatte ich den Eindruck, dass die Köchin mich nicht leiden konnte. Sie funkelte mich böse an. Doch ich hatte andere Sorgen. Marcius war noch immer nicht zurück. Ob Kleons Nachricht für mich etwas damit zu tun hatte? Vielleicht war Marcius wieder verwundet worden? Oder etwas noch Schlimmeres war ihm zugestoßen. Mir wurde ganz schlecht bei dem Gedanken. Ich wankte in Filippas Zimmer, zog Eriks Tasche unter meinem Bett hervor und nahm die letzte Aspirin heraus. In meinem Kopf braute sich ein Gewitter zusammen. Schnell schluckte ich die Tablette mit etwas Wasser herunter und massierte mit den Fingerspitzen meine schmerzenden Schläfen. Es half nur wenig.
Von Unruhe getrieben stand ich auf, trat ans Fenster und lehnte meine Stirn dort gegen die kühle Mauer. Zum wiederholten Mal an diesem Tag suchte ich mit den Augen den Sandweg ab. Besonders die Stelle, wo der Weg eine Kurve machte und hinter den Bäumen verschwand. Von dort muss er kommen, dachte ich. Gleich taucht er hinter den Zypressen und Platanen auf und rettet mich aus meinem Gefängnis. Er hebt mich einfach auf sein Pferd und reitet mit mir davon, ohne viele Fragen zu stellen.
Ein Luftzug riss mich aus meiner Träumerei. Filippa stand völlig aufgelöst hinter mir. »Elina, wo hast du deine Tasche? Schnell, folge mir!« Ihre Stimme klang hysterisch. Ich schnappte mir Eriks Tasche und rannte ihr hinterher.
Atemlos erreichten wir ein schwach erleuchtetes Zimmer, das sich in einem Nebentrakt befand. Cornelia lag schweißgebadet auf einem Bett und schrie. Mehrere Sklaven standen um sie herum und tuschelten. Ich erkannte Cornelias Mutter, die ihrer Tochter mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn wischte. Eine andere Sklavin brachte eine Schüssel mit Wasser sowie saubere Tücher.
Cornelia stieß einen weiteren Schrei aus. Ich zuckte zusammen. Ich hatte noch nie eine Geburt miterlebt und einen Menschen derart schreien hören. Cornelia musste furchtbare Schmerzen haben. Fieberhaft überlegte ich, wie ich ihr helfen konnte. Die Sklaven, die eben noch um ihr Bett gestanden hatten, machten Platz für mich. Erst jetzt sah ich, dass sie in einer Blutlache lag. Vorsichtig sog ich die Luft durch die Nase ein. Daher also der Geruch! Diese süßlich metallische Mischung von entweichendem Leben. Ich hatte sie bereits mehrfach in Afrika gerochen.
Abermals hallte ein markerschütternder Schrei durch den Raum.
»Kannst du ihr helfen? Die Hebamme weiß nicht mehr, was sie tun soll. Das Kind liegt falsch herum und kann nicht heraus. Bitte hilf ihr«, bat mich Filippa. Ihre Unterlippe zitterte.
Wieder ein Schrei.
»Ich weiß nicht, was man da macht. Ich habe keine Ahnung.« Ich zuckte schwach mit den Achseln. Cornelias Anblick und ihre Schreie waren verstörend. Am liebsten wäre ich hinausgelaufen.
»Kannst du es nicht wenigstens versuchen?«, flehte Filippa.
Ich schüttelte wie in Trance den Kopf.
»Du kannst nicht oder du willst nicht?« Cornelias Mutter kam auf mich zu. Ihre Augen blitzten.
»Ich kann nicht. Es tut mir leid. Wirklich, ich habe keine Ahnung«, antwortete ich. Das Sprechen fiel mir schwer.
Ein weiterer Schrei.
Durch Cornelias Mutter ging ein Ruck. »Du könntest schon, stimmt’s? Du willst nur nicht, weil das Kind von deinem zukünftigen Ehemann ist«, keifte sie.
»Was?«
»Du hast mich schon verstanden. Das Kind ist von Verus«, fauchte Cornelias Mutter. Ihre Augen schossen Pfeile auf mich ab.
»Geh, Elina. Es ist besser, wenn du gehst.« Filippa drängte mich aus dem Zimmer. »Es tut mir leid, dass du es so erfahren musstest. Wirklich. Geh jetzt, Elina.«
Wie betäubt stand ich minutenlang auf dem Gang vor dem Zimmer, in dem Cornelia zu verbluten drohte. Ich hörte das hektische Treiben hinter dem Vorhang und Cornelias furchtbare Schreie, die immer heiserer wurden. In ihr war kaum noch Leben.
Schlimme Nachrichten
Mitten in der Nacht wurde ich von einem Schluchzen wach. Vorsichtig setzte ich mich in meinem Bett auf und lauschte in die Dunkelheit. Das Schluchzen kam von der gegenüberliegenden Seite des Raumes. Mit schwerem Herzen stand ich auf und tappte zu Filippa hinüber. Auf der Stelle rutschte sie zur Seite und machte für mich Platz. Ich legte mich neben sie und streichelte ihr übers
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