Tempus (German Edition)
beendete Kleon Lucius’ Satz.
»Ja, so ist es.« Ich sah auf der gegenüberliegenden Wand den Schatten von Lucius’ Kopf. Er nickte bedächtig. »Hoffentlich ist Marcius nicht wieder diesen Schlägertrupps in die Hände gefallen, die von Cäsar bezahlt werden.«
»Er ist ein kluger junger Mann. Er wird sich dieses Mal besser vorsehen. Außerdem begleiten ihn dieses Mal erfahrene Ritter. Du solltest dir keine unnötigen Sorgen machen, Herr.«
»Ich hoffe, du hast recht. Er ist mein einziger Sohn. Es könnte nicht schaden, die Götter um Hilfe zu bitten.«
»Du hast recht. Ich werde es noch heute tun.«
»Du bist ein wahrer Freund, Kleon. Nicht mehr lange und ich werde dir die Freiheit schenken. Du hast sie dir redlich verdient.« Lucius legte seine Schattenhand auf Kleons Schulter. »Wie weit bist du mit den Vorbereitungen für die Bestattung?« Die Stimmen wurden leiser, sodass ich Kleons Antwort nicht mehr hören konnte. Die Männer waren weitergegangen. Kaum waren sie außer Sichtweite, trat ich hinter der Säule hervor und lief mit weichen Knien in den Baderaum. Das war gerade noch mal gut gegangen!
»Da bist du ja endlich«, empfing mich Filippa voller Ungeduld.
»Entschuldige, ich bin aufgehalten worden«, sagte ich und zog mir die Tunika über den Kopf.
»Von wem?«
»Nicht so wichtig.« Ich glitt zu ihr ins warme Wasser. »Das tut gut«, seufzte ich.
Obwohl ich nicht zum ersten Mal hier war, versetzte mich das beheizte Bad erneut in Erstaunen. Aufwändige Mosaiken zierten die Wände und den Boden. Die dargestellten Pflanzen, Vasen und exotischen Tiere waren von Schmuckornamenten umrahmt. Lauter kleine bunte Steine, die ein Künstler liebevoll zusammengefügt hatte. Rechts und links vom Becken befanden sich Bänke aus hellem Marmor, auf denen Öllampen, kostbare Amphoren, Tiegel und Dosen standen. Nicht dass ich mich damit besonders gut ausgekannt hätte, aber für meine Begriffe stand Lucius’ Baderaum den Wellness-Oasen der Neuzeit in nichts nach. Im Gegenteil. Ich atmete laut aus.
»Machst du dir wegen Marcius Sorgen?«, erkundigte sich Filippa postwendend.
»Mhmm.«
»Ihm wird schon nichts passiert sein.«
»Hoffentlich.« Ich war mir da nicht so sicher. Seine Wunde am Bein war mir in deutlicher Erinnerung.
»Morgen wird Cornelia bestattet«, wechselte Filippa ohne Vorwarnung das Thema.
»Ich weiß.«
»Du wirst doch dabei sein, oder?«
»Jaaaa ...«
»Aber?«
»Mir graut davor. Wahrscheinlich gucken mich alle wieder so vorwurfsvoll an. Dabei kann ich gar nichts für Cornelias Tod«, stieß ich hervor und erschrak selbst darüber, wie herzlos es klang.
»Nein, natürlich nicht.« Filippa nahm sich aus einer Amphore ein wenig von dem weißen Pulver, das als Seife diente.
»Ist das alles, was dir dazu einfällt?«
»Sie werden sich schon wieder beruhigen. Die Menschen vergessen schnell«, versuchte sie zu beschwichtigen.
»Ich weiß nicht. Ich hatte schon vorher den Eindruck, dass mich viele nicht mögen. Lea, die Köchin, zum Beispiel.«
»Du bist eine Fremde, Elina. Du siehst anders aus als wir, du benimmst dich anders, und du hast ein Geheimnis, das du niemandem verrätst. Du darfst dich nicht wundern, wenn sie misstrauisch sind.«
»Misstrauisch? Ich habe eher das Gefühl, sie hassen mich.« Gedankenverloren plätscherte ich mit den Füßen im Wasser. Kleine, schillernde Luftblasen entstanden, die aufeinander zutrieben und sich Halt suchend miteinander vereinigten, um kurz darauf nach und nach zu zerplatzen. Wie Träume. Oder Hoffnungen.
»Die Menschen brauchen immer jemanden, den sie verantwortlich machen können, um sich selbst besser zu fühlen. Das ist nicht gerecht, doch so ist das nun mal«, sagte Filippa.
»Du hast leicht reden. Dich machen sie ja auch nicht verantwortlich, sondern mich. Ich will aber nicht die Schuldige sein! Erst recht nicht, wenn ich es nicht bin!« Ich haute ärgerlich mit der Hand auf die Wasseroberfläche. Geistesgegenwärtig drehte Filippa den Kopf zur Seite, damit ihr kein Wasser in die Augen spritzte.
»Glaub mir, ich kann dich verstehen. Gib ihnen einfach Zeit, sie werden sich schon beruhigen.« Sie hatte mir ihr Gesicht wieder zugewandt, hielt jedoch für alle Fälle ihre Hand schützend davor. Ihre Fingerkuppen sahen genauso weich und dellig aus wie meine.
»Mir reicht’s«, sagte ich und stieg aus dem Becken.
Asche zu Asche
Es knisterte. Flammen tanzten auf und ab. Eine Rauchsäule stieg einem Warnzeichen gleich zum Himmel empor,
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