Tempus (German Edition)
Bestimmt hatte er Cornelia nur als ein Spielzeug betrachtet, das er jetzt auf bequeme Weise losgeworden war. Verus war ein widerlicher Mensch, den ich nie im Leben heiraten würde. Lieber würde ich sterben. Ich verachtete ihn.
Das Diktat
Du darfst nicht so schlecht über Verus denken«, versuchte Filippa, mich zu besänftigen. »Cornelia wusste, was sie tat, als sie sich auf ihn einließ. Ihre Mutter hätte ihr ein warnendes Beispiel sein müssen.«
»Ich denke, Sklavinnen haben nicht das Recht Nein zu sagen?«, hielt ich dagegen.
»In diesem speziellen Fall wäre es wohl möglich gewesen.« Filippa trippelte unruhig auf der Stelle. Wie fast jeden Morgen wollte sie nach dem Frühstück zum Markt. Ich ließ sie nicht gehen, sondern bestand darauf, unser Gespräch fortzusetzen, das wir direkt nach dem Aufstehen begonnen hatten.
»Du stellst dich auf die Seite von Verus. Dabei ist Cornelia gerade mal eine Woche tot«, warf ich ihr vor.
»Das mache ich nicht. Selbst wenn Verus sie geheiratet hätte, was natürlich völlig unvorstellbar ist, da feine Herren niemals Sklavinnen heiraten, so wäre Cornelia trotzdem gestorben. Viele Frauen sterben bei der Geburt eines Kindes. Leider.«
»Verus ist kein feiner Herr.«
»Du weißt, was ich meine«, stöhnte Filippa.
»Ist das Kinderkriegen wirklich so gefährlich?«, fragte ich in die kalte Stille hinein.
»Was heißt gefährlich?« Sie wiegte den Kopf hin und her. »Kinder zu bekommen, ist etwas Natürliches. Aber wie gesagt, manche Frauen sterben dabei. Ist das bei euch nicht so?«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Wie kommt das?«
»Wir haben gute Ärzte«, antwortete ich nach einigem Zögern.
»Wo auch immer dein Zuhause ist, es scheint ein guter Ort zu sein. Ich wäre gern einmal dort.«
»Ja, es ist schön dort«, hörte ich mich zu meinem eigenen Erstaunen sagen. Bis vor Kurzem hatte mir Schweden überhaupt nicht gefallen.
»Nimmst du mich mit, wenn du zurückkehrst?« Filippa griff unvermittelt nach meiner Hand und sah mich ernst an.
»So wie es aussieht, werde ich wohl niemals zurückkehren.«
»Aber wenn doch?«, beharrte sie.
Ein halblautes Niesen ließ uns auseinanderfahren. Filippa raffte umgehend ihre Tunika und eilte den Gang hinunter, der zur Eingangshalle führte. Ich ging vorsichtshalber in die entgegengesetzte Richtung und rannte prompt Kleon in die Arme. Hoffentlich hatte er uns nicht belauscht! Unser Gespräch war alles andere als harmlos gewesen. Filippa hatte laut über eine Flucht nachgedacht und mich um Hilfe gebeten. Nach römischem Recht war das ein schweres Verbrechen.
»Dich habe ich gesucht. Komm mit«, sagte Kleon.
»Wohin?«
»Das wirst du schon sehen.« Er führte mich in einen Teil des Hauses, in dem ich bislang noch nicht gewesen war. Deshalb vermutete ich, dass sich dort Lucius’ Privatgemächer und sein Arbeitszimmer befanden. Ich hoffte inständig, dass nicht Marcius nach mir geschickt hatte. Nach wie vor bemühte ich mich, ihm aus dem Weg zu gehen, denn wenn ich etwas in letzter Zeit gelernt hatte, dann das: Wer etwas haben wollte oder sich gar etwas nahm, das nicht für ihn bestimmt war, musste dafür unter Umständen einen hohen Preis bezahlen. Außerdem wusste ich immer noch nicht, was ich Marcius sagen sollte. Ich konnte ihm einfach nicht die Wahrheit erzählen. Das Beste war also, ihn weiterhin zu meiden.
»Da lang«, brummte Kleon und zeigte auf einen Gang, der nach rechts führte.
Langsam hatte ich seine mürrische Art satt. »Warum bist du eigentlich immer so unfreundlich zu mir? Was habe ich dir getan?«
»Unfreundlich? Ich bitte vielmals um Verzeihung, das war nicht meine Absicht«, höhnte er.
»Siehst du, du bist schon wieder grantig. Glaubst du etwa immer noch, ich bin eine Spionin? Das ist doch lächerlich.«
»Nein, das glaube ich nicht.«
»Sondern?« Ich stemmte die Arme in die Hüften, während Kleon seine vor der Brust verschränkte.
»Ich glaube, du hast einen gefährlichen Einfluss auf Filippa.«
»Was meinst du damit?«
»Sie war immer ein liebes Mädchen. Seitdem du da bist, widerspricht sie ständig und wirkt unzufrieden.«
»Dafür kann ich nichts«, erwiderte ich wie aus der Pistole geschossen.
»Ich denke doch. Ich will nicht, dass du meiner Tochter einen Floh ins Ohr setzt und sie unglücklich machst.«
»Wirklich?«, fragte ich ironisch. »Vielleicht möchtest du ja auch nur, dass sie für alle Zeit immer genau das macht, was du ihr vorschreibst.«
Kleon bekam einen roten Kopf,
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