Tempus (German Edition)
mich gern auf«, grinste Filippa und hielt mir ihren noch immer blutenden Zeigefinger unter die Nase.
»Du bist und bleibst eben ein Schatz!« Ich warf ihr eine Kusshand zu und huschte aus dem Raum. Zügig lief ich die langen Gänge entlang, die kreuz und quer durch das Haus führten und die einzelnen Gebäudeteile wie ein Straßennetz miteinander verbanden. Ich war froh, mich wieder ein wenig bewegen zu können, denn meine innere Unruhe war nach wie vor vorhanden.
Und wenn ich Filippa doch ins Vertrauen ziehe?, überlegte ich, während ich in einen Gang links von mir abbog. Wenigstens was Marcius und mich betraf. Sie ahnte ja sowieso schon was. Sie würde sich bestimmt über den Vertrauensbeweis freuen und mir würde es guttun, endlich mit jemandem über Marcius zu sprechen. Die Vorstellung, dass er sich gegen mich beziehungsweise uns entschieden haben könnte, machte mich ganz fertig. Eigentlich konnte und wollte ich das nicht glauben. Schließlich hatte er gesagt, dass er mich liebte. Aber das hatte Harry auch gesagt. Ich wusste nur zu gut, dass es im Zweifelsfall nichts bedeutete. Nachdenklich blickte ich auf die hellen Fliesen, über die meine Füße wanderten. Eine Fliese und noch eine, und noch eine, und noch eine. Klare, geordnete Strukturen. Hier gab es kein Durcheinander. Ich seufzte halblaut.
»Elina!«
Beim Klang meines Namens durchzuckte mich ein heißer Blitz. Marcius trat hinter einer bronzenen Statue hervor, die in dem langen Gang stand, der die beiden begrünten Innenhöfe miteinander verband. Er sah ernst aus. Kein Lächeln. Nichts. Mir war sofort klar, was das zu bedeuten hatte. Von einer Sekunde zur anderen wurde mir eiskalt. Alles in mir versteifte sich, um gewappnet zu sein für das, was jetzt kam.
»Ich muss unbedingt mit dir reden.« Er blickte prüfend nach rechts und links, bevor er mich in eine nahe gelegene dunkle Nische zog.
»Marcius ...«, versuchte ich, ihm zuvorzukommen.
»Pssst!« Er legte mir seinen Zeigefinger auf die Lippen.
Jetzt hörte auch ich das Lachen der Sklavinnen. Das harte Klatschen ihrer Sandalen auf dem Fußboden wurde immer lauter. Marcius zog mich tiefer nach hinten in die Nische und presste mich dabei an sich, so nah, dass seine Wärme unter meine Haut kroch. Unsere Herzen schlugen gegeneinander in immer wilderen Galoppsprüngen. Ich hielt die Luft an. Die Sklavinnen gingen an uns vorüber, ohne uns zu entdecken. Selbst als sie schon lange verschwunden waren, rührten wir uns nicht von der Stelle. Wortlos hielt mich Marcius in der Nische im Arm.
»Du wolltest mir etwas sagen?« Ich konnte die Spannung zwischen uns nicht mehr ertragen. Ich wollte endlich Gewissheit. Er sollte endlich sagen, was er zu sagen hatte, auch wenn ich den Inhalt seiner Worte schon kannte.
Marcius schaute mich mit einem Blick an, den ich wie so oft nicht deuten konnte.
»Ich, ich ...«, nahm er Anlauf. Schließlich küsste er mich.
Ein Ameisenheer kribbelte von oben nach unten über meinen Rücken und wieder zurück. Alle meine Sorgen und Bedenken lösten sich in wohliges Nichts auf. Es gab nur noch seine Lippen auf meinen.
Als Marcius zwischen zwei Küssen kurz Luft holte, konnte ich es mir trotzdem nicht verkneifen, etwas atemlos erneut zu fragen: »Ich dachte, du wolltest mir etwas sagen?«
»Hmm.«
»Was heißt ›hmm‹?«
»Du schmeckst so unglaublich süß!«
» Das wolltest du mir sagen?« Ich legte den Kopf schief und lächelte ihn an.
Er lächelte zurück, nickte und fuhr mit seinem Finger ganz langsam meine Lippen nach. Es war ein Versprechen ohne Worte.
Die letzte Rose
Das Leben war wie ein Rausch. Ich war berauscht. Heimliche Treffen im Dämmerlicht, meine Hand in seiner, hastige Küsse hinter einer Säule, Steppenaugen, in denen ich für immer eintauchen wollte. Mein Magen hörte überhaupt nicht mehr auf zu kribbeln. Wann immer Marcius’ Verpflichtungen es zuließen, trafen wir uns möglichst unauffällig in einem der Gärten oder beim Pferdestall. Manchmal ritten wir auch ganz offiziell miteinander aus. Wie Marcius das Lucius gegenüber rechtfertigte, der von UNS besser nichts wissen sollte, sagte er mir nicht. Jedes Mal wenn ich ihn darauf ansprach oder fragte, worin seine zahlreichen Verpflichtungen genau beständen, brummelte er nur etwas Unverständliches und wechselte das Thema.
Auf unseren Ausritten zeigte mir Marcius nach und nach sein Rom . Schon bald kannte ich jeden noch so entlegenen Winkel der Stadt, und auch Marcius wurde mir immer
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