Tempus (German Edition)
Zeitlupentempo legte ich mich neben ihn und breitete meine Decke über uns aus. Ich lauschte. Seine Atemzüge klangen weiterhin regelmäßig. Ich schloss beruhigt die Augen und genoss die Wärme, die er ausstrahlte. Es war schön, so nah bei ihm zu sein und ihn zu fühlen. Am liebsten hätte ich mich eng an ihn gekuschelt. Während ich noch darüber nachdachte, ob er wohl aufwachen würde, wenn ich näher an ihn heranrutschte, schob sich behutsam ein Arm unter meinen Nacken. Ein weiterer Arm legte sich sacht über meine Brust.
»Ich liebe dich«, flüsterte er.
»Ich liebe dich auch«, antwortete ich. Mein Lächeln konnte er nicht sehen. Er hatte sein Gesicht in meinem Haar vergraben.
Das Amulett
Sooft wir konnten, ritten wir zu dem Häuschen, das für uns zu einem zweiten Zuhause geworden war. Endlich hatten wir einen Ort für uns allein. Wir waren glücklich, obwohl wir wussten, dass die anderen es nicht gern sahen, wenn wir ständig fortritten. Während sich Lucius vor allem Sorgen zu machen schien, fühlten sich Verus und Filippa von uns vernachlässigt. Ich konnte das verstehen. Mein schlechtes Gewissen war jedoch viel zu träge, um daran etwas zu ändern. Außerdem machte es mir Filippa leicht. Sie beschwerte sich mit keinem Wort, sondern warf mir nur traurige Blicke zu, sobald ich mit Marcius aufbrach. Verus indessen wurde deutlicher. Als ich von meinem Versteck aus die Männer beim Training beobachtete, wurde ich ungewollt Zeugin eines Streits.
»Bleib hier! Du kannst jetzt nicht schon abhauen!« Verus packte Marcius an der Schulter, der Anstalten machte, seine Sachen einzusammeln.
»Mir reicht’s für heute. Ich habe noch etwas vor«, antwortete Marcius ruhig und schüttelte Verus’ Hand ab.
»Ich kann mir schon denken, was. Aber glaubst du nicht, es ist wichtiger, uns vorzubereiten als mit der Kleinen im Bett ...«
»Wage nicht, so über sie zu sprechen!« Marcius ging einen Schritt auf Verus zu. Seine Schultern strafften sich. »Ich habe ihre Ehre nicht angetastet und gedenke auch nicht, es zu tun. Ich bin nicht wie du, Verus«, zischte er.
»Wie meinst du das?«, brüllte Verus. Sein Kopf wurde feuerrot. Die anderen Männer sahen betreten zur Seite. Einige fingen halbherzig wieder an zu üben.
»Du weißt genau, wie ich es meine!«
»Nein, weiß ich nicht«, schrie Verus und fuchtelte mit seinem Schwert in der Luft herum. »Ich habe Cornelia geliebt, und ich hätte sie geheiratet.«
»Und ich liebe Elina!« Marcius sprach jetzt erneut mit ruhiger Stimme. »Eigentlich müsstest du es besser als jeder andere verstehen, dass ich viel Zeit mit ihr verbringen möchte – solange es noch möglich ist.« Er wandte Verus den Rücken zu und ging mit seinen Waffen zum Pferdestall. Ich sah, wie er sich bemühte, nicht zu humpeln. Verus warf ärgerlich sein Schwert auf den Boden.
Als wir später eng aneinandergekuschelt auf dem Bett in unserem Häuschen lagen, konnte ich nicht länger an mich halten.
»Marcius?«
»Ja?«
»Ich habe vorhin zufällig deinen Streit mit Verus mitbekommen.«
»Zufällig?« Er zog die Augenbrauen hoch.
»Ja. Also fast. Is’ ja auch egal. Du hast gesagt, du willst viel Zeit mit mir verbringen, solange es noch möglich ist. Was heißt das? Reitest du bald fort?«
»Das könnte schon sein.« Er rollte sich auf die Seite, stützte seinen Kopf auf seine Hand und betrachtete mich mit seinen Steppenaugen. »Wer weiß, vielleicht bist du ja auch bald fort!«
»Wie meinst du das?«
»Je länger ich darüber nachdenke, desto weniger glaube ich, dass die Baumgruppe, die du mir gezeigt hast, die richtige Stelle ist. Sie war es vielleicht einmal. Jetzt ist die Stelle vermutlich woanders. Und morgen ist sie möglicherweise wieder an einem anderen Ort. Nach allem, was du mir über die gekrümmte Zeit erzählt hast, erscheint mir das am wahrscheinlichsten.« Er machte eine Pause und streichelte mir übers Haar. »Im Grunde müssen wir damit rechnen, dass du an jedem beliebigen Ort und zu jedem beliebigen Zeitpunkt verschwinden könntest.
»Das ist nicht dein Ernst?!« Ich drehte mich ebenfalls auf die Seite, um ihn besser ansehen zu können. »Wenn das so wäre, wäre ich nicht schon bald ein Vierteljahr hier. Ich glaube eher, es gibt keinen Weg zurück.«
»Und ich glaube, es könnte jederzeit geschehen. Besonders dann, wenn wir nicht damit rechnen. Es sähe den Göttern ähnlich.«
Mir war aufgefallen, dass Marcius in den vergangenen Tagen nur noch selten mit mir zu den
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