Tempus (German Edition)
Bäumen gegangen war. Ich hatte mich darüber zwar gewundert, ihn aber nicht zu fragen gewagt, woran es lag, da es ganz in meinem Sinn war. Nun kannte ich den Grund, der bestimmt auch Marcius’ fast schon ritterliche Zurückhaltung erklärte, wenn wir zusammen im Bett lagen.
»Willst du deshalb auch nicht mit mir … ähm … na, du weißt schon, was ich meine ...?« Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss. Hörte das denn nie auf?!
Er lächelte und gab mir einen Kuss auf die Stirn. »Ja. Aber nicht nur. Ein Mädchen, das mir sagt, es sei mit siebzehn Jahren zu jung für Wein, scheint mir auch zu jung für das andere zu sein.« Er küsste mich erneut. Dieses Mal auf die Nasenspitze. »Nebenbei gesagt, gehört es sich auch nicht, oder?«
Ich war mir nicht sicher, ob er sich über mich lustig machte, daher zuckte ich nur mit den Achseln.
»Du findest es nicht unsittlich? Immerhin bist du ein Mädchen aus gutem Hause und wir sind nicht verheiratet.« Er hatte es wirklich ernst gemeint und sah mir prüfend in die Augen.
»Bei uns denkt man anders darüber«, erwiderte ich.
»Inwiefern anders?«
»Na ja, es nicht unbedingt notwendig, vorher zu heiraten.«
»Ist es nicht?« Er schien mehr verwundert als entsetzt zu sein. Ich kratzte mich an der Nase, obwohl sie gar nicht juckte. Das Thema war mir peinlich, dabei hatte ich es selbst angeschnitten. Marcius dachte nach. Ich konnte es an den feinen Linien auf seiner Stirn sehen. »Möchtest du denn gern?«, platzte es aus ihm heraus.
»Ich weiß nicht.«
»Du weißt es nicht?!« Er klang irritiert. »Hast du … ich meine … haben du und dieser Harry … habt ihr ...?«
»Nein!«
Er stieß erleichtert die Luft aus. Außer seinem Atemgeräusch war nur das Knistern des Feuers zu hören. »Warum habt ihr nicht, wenn es doch nicht gegen die Moral verstößt?«
Ich überlegte einen Moment. »Ich nehme an, wir waren zu jung. Ich jedenfalls.«
Marcius lachte leise und küsste mich auf den Mund. »Natürlich! Was auch sonst?! – Ich habe übrigens etwas für dich!« Er sprang aus dem Bett und kramte ein Päckchen aus seiner Satteltasche hervor. »Hier, für dich!« Er setzte sich auf die Bettkante und überreichte es mir.
»Was ist das?«
»Ein Geschenk!«
»Ein Geschenk? Wieso?«
»Hast du nicht gesagt, ihr feiert bei euch zu Hause um diese Zeit ein religiöses Fest, bei dem sich alle etwas schenken?«
»Schon, ich habe allerdings nicht damit gerechnet, dass du daran denkst. Nun habe ich gar nichts für dich.«
»Das macht nichts!« Gespannt sah er zu, wie ich das Geschenk auspackte, das in dünnen Stoff gewickelt war.
Vor einiger Zeit hatte ich ihm von Weihnachten erzählt und von der Sitte, mit der Familie fröhlich zu feiern, viel zu essen und sich gegenseitig Geschenke zu machen. Marcius hatte es nicht vergessen! Ich war so gerührt, dass ich mit den Tränen kämpfen musste. Hinzu kam, dass es mein erstes Weihnachtsfest ohne meine Eltern war. Heimlich wischte ich mir eine Träne aus dem Augenwinkel. Marcius sollte sie nicht sehen, es hätte ihn nur traurig gemacht. Im Grunde war es verrückt überhaupt an Weihnachten zu denken, in einer Zeit, in der Jesus noch nicht einmal geboren war.
»Und? Gefällt es dir?« Marcius rutschte auf dem Bett voller Erwartung hin und her.
»Ja, es ist wunderschön! Vielen Dank!« Ich hielt ein bronzenes Amulett in den Händen, das an einem braunen Lederbändchen hing.
»Es gehörte meiner Mutter«, erklärte Marcius. »Die dazugehörige Kette ist leider kaputt. Ich habe stattdessen ein Lederband genommen. Ich hoffe, es stört dich nicht. Das Amulett soll dich vor Unheil bewahren und dich an mich erinnern, wenn ich schon lange nicht mehr bin.«
»Nicht! Bitte sei still. Bitte.« Ich legte meine Hand auf seinen Mund.
Er nahm sie behutsam weg. »Aber so ist es! Wir dürfen die Augen nicht vor der Wahrheit verschließen. Eines Tages wirst du in deine Zeit zurückkehren und leben, wenn ich schon lange tot bin.«
»Ich will das nicht hören.« Ich schüttelte nachdrücklich den Kopf.
Er lächelte und fragte: »Soll ich dir das Amulett umbinden?«
»Ja, bitte.« Ich drehte ihm den Rücken zu, damit er das Lederband in meinem Nacken verknoten konnte. »Und wie sieht es aus?« Ich präsentierte ihm meinen Halsausschnitt mit dem Amulett.
»Du siehst wunderschön aus«, sagte er mit schelmischem Blick auf mein Dekolleté.
»Und vor allem bin ich immer noch da. So schnell wirst du mich nicht los!« Ich gab
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