Tenebra 1 - Dunkler Winter
Rand der See mit starken eisernen Stiften im gewachsenen Fels verankert und festzementiert worden. Mauern, die selbst zu senkrechten Kliffs geworden waren, aus sorgfältig behauenen Steinblöcken, von denen jeder größer als ein einstöckiges Haus war. Die Festungsmauern waren so dick, dass Wurfmaschinen auf den mächtigen steinernen Plattformen der flankierenden Türme stehen konnten, zwanzig Mannshöhen über den Fundamenten. Aus solcher Höhe konnten diese Maschinen mit den mächtigen Wurfarmen Steine vom Gewicht eines Pferdes über die Bucht werfen. Gewöhnliche Festungstürme wären unter den Stößen ihrer Entladungen rissig geworden und eingestürzt. Aber solche Dinge konnten den Türmen von Ys nichts anhaben. Keine Belagerungsmaschine, die je gebaut worden war, konnte sie erschüttern.
Hinter den äußeren Mauern ragte ein weiterer Ring, und hinter diesem noch einer, nicht ganz so massiv, aber noch um einiges höher, sodass ihre Zinnen die äußeren Verteidigungswerke überblickten und die inneren Wehrgänge mit Feuer und Geschossen bestreichen konnten, sollte es den Belagerern gelingen, die äußeren Mauerringe zu überwinden. Aber wie, dachte ich staunend, wie würde es jemandem gelingen können, die äußere Mauer zu überwinden?
Sie ragte vor mir auf wie die Barriere am Ende der Welt. Die Straße führte gerade durch die zerstörte Stadt auf die Festung zu, als bildeten der Fluss und die Stadt beide keinerlei Hindernis. Wir folgten ihr, und ich konnte meiner Neigung, das Pferd zu zügeln und die Festung zu bestaunen, nicht nachgeben. Die Priorin hatte es eilig.
Ein Damm führte vom Festland hinaus. An seinem Ende überwand eine Zugbrücke die vom Meer umspülte Lücke zwischen der Landzunge und der Festungsmauer. Am Ende des Dammes reichten die schweren Eisenketten der Zugbrücke über zwei Steinsäulen zu beiden Seiten der Straße.
Auf der anderen Seite verschwanden die Ketten in kreisrunden, aus den mächtigen Quadern gehauenen Öffnungen. Die Zugbrücke selbst bestand aus soliden Holzbohlen und war breit genug, dass zwei Reiter nebeneinander hinüber reiten konnten, gerade breit genug für ein Fuhrwerk. Auf der Festungsseite befand sich das von zwei massiven, vorgeschobenen halbrunden Türmen flankierte Tor, das von der hochgezogenen Zugbrücke verschlossen wurde.
Unsere Hufschläge klapperten hinüber. Es war, als würden wir von einem Titanen verschluckt, als kämen wir in ein Bergwerk. Wir ritten in einen schmalen Schacht zwischen so hohen Wänden, dass der Himmel wie ein Band über unseren Köpfen lag; dann langten wir vor dem massiven Fallgitter an, das das eigentliche Tor von Ys schützte.
Das Gitter bestand aus schenkelstarken Bronzestangen und war bündig mit den massigen Quadern der Mauer verbunden, um einem Angreifer nicht die geringste Deckung zu gewähren. Jenseits des Gitters führte ein Tunnel zwanzig Schritte tief durch die Dicke der Mauer und endete an einem zweiten Fallgitter gleicher Art.
Wir warteten. Es gab kein Losungswort. Jemand über unseren Köpfen hatte uns gesehen und erkannt; trotzdem war die Maschinerie, die zum Emporziehen des Fallgitters benötigt wurde, so schwerfällig, dass wir sie eine Weile klirren und knirschen hörten, bevor das Gitter sich langsam in Bewegung setzte. Es glitt in seinen Führungsschienen aufwärts und gleichzeitig wurde auch das innere Fallgitter emporgezogen. Wir ritten in die Burg ein.
Der Tunnel führte leicht ansteigend aufwärts. Wegen des engen Raumes und der Steigung kamen die Zugtiere mit den Fuhrwerken nur im langsamen Schritttempo voran; ich blickte im Halbdunkel umher und sah, was zu sehen ich erwartet hatte.
Über unseren Köpfen waren Löcher, in die man die Hand stecken konnte, in Abständen von drei Schritten sauber in die Quader des gemauerten Gewölbes gebohrt. Entlang den Seiten des Tunnels gab es Schießscharten, breit genug für einen Armbrustbolzen, von innen mit eisernen Läden verschlossen. Die Götter mochten den Angreifern helfen, die durch eine Serie von Wundern durch das äußere Tor bis hierher vorgedrungen waren. Feuer von oben und Tod und Verderben von beiden Seiten würden ihr Schicksal besiegeln.
Ich hatte überlegt, wie der Orden die Festung Ys gegen eine vielleicht dreißigfache Übermacht halten wollte, aber nun überlegte ich, weshalb sie dachten, es sei möglich, dass sie die Festung vielleicht nicht würden halten können. Aber das war eine voreilige Vermutung. Ich hatte die Armeen des Dunkels noch
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