Tentakel-Trilogie 1: Tentakelschatten
alles auf meine Kappe, aber ich will ihn in seinem Büro haben, und das binnen der nächsten sechzig Minuten. Nein, noch besser: Ich setze auf die Flavius Aetius über. Er soll dorthin gebracht werden. Und Sie kommen gleich mit. Es ist was am Kochen, und es wird möglicherweise richtig heiß.«
Bersson nickte, diesmal mit deutlich erkennbarem Lächeln.
»Und der Lieutenant?«
»Ist hiermit seines Postens enthoben. Sie übernehmen die Leibgarde kommissarisch. Wollen Sie eine Feldbeförderung zum Offizier?«
Bersson sah aus, als habe er in eine saure Frucht gebissen. Dann bekam sein Gesichtsausdruck etwas Besorgtes. Hogan hätte sich sehr in dem Mann geirrt, wenn die folgende Frage nicht gekommen wäre.
»Feldbeförderung? Heißt das, wir sind im Krieg?«
Hogan ließ einen Augenblick vergehen, ehe er antwortete.
»Das nehme ich an, Marechal. Und jetzt beschaffen Sie mir den Gouverneur!«
Bersson schaltete einfach aus. Er wusste, was zu tun war.
Hogan hoffte, dass das auch für ihn selbst galt.
17 Lydos
»Da ist noch einer!«
Tooma sah nur kurz auf, als Li mit ausgestrecktem Arm auf die helle Lichtkugel wies, die mit irreführender Langsamkeit über das Firmament kroch. Sie vergewisserte sich noch einmal, dass der automatische Sensor sicher im Erdreich verankert war und erhob sich dann. Die Kugel war die dritte innerhalb der letzten halben Stunde gewesen, und wie ihre beiden Vorgänger hatte sie den exakt gleichen Kurs genommen, nämlich auf die Hauptstadt. Wie Tooma erwartet hatte, war der Feind für die gute Gelegenheit dankbar gewesen, den zentralen Widerstand durch ein paar wohl gezielte Orbitalschläge ohne eigenes Risiko ausschalten zu können. Die offenbar sehr langsamen ballistischen Flugkörper des Gegners schienen die Unfähigkeit der Menschen, sich gegen diese Angriffe wehren zu können, zu verhöhnen. Als die erste Kugel eingeschlagen war, hatte ein helles Wetterleuchten die sternenklare Nacht erhellt, deutlich erkennbar auch im Camp der Flüchtlinge tief im Dschungel. Nach dem Einschlag des zweiten Geschosses war der militärische Funkverkehr aus der Hauptstadt fast vollständig erstorben. Der dritte Schuss diente dazu, auf Nummer Sicher zu gehen. Rahel kniff die Augen zusammen und konnte die zahlreichen, winzigen, blinkenden Lichter erkennen, die sich hoch oben am Sternenhimmel abzeichneten. Die Flotte des Feindes war auch mit dem unbewaffneten Auge auszumachen. Es würde nicht mehr lange dauern, dann begann die Landeoperation, vorzugsweise in dem Gebiet, das mal die Hauptstadt gewesen war. Obgleich Rahel nichts über die Herkunft und die Natur der Invasoren wusste, vermutete sie, dass man erst einmal einen sicheren Brückenkopf errichten würde, um von dort aus die Eroberung des restlichen Planeten in Angriff nehmen zu können. Man würde Lydos vom Orbit aus gescannt und herausgefunden haben, dass es nur noch wenige weitere Siedlungen von nennenswerter Größe gab und die Dschungelebene war wahrscheinlich gar nicht besonders auf den Schirmen aufgetaucht. Mit etwas Glück würden die Invasoren hier erst in Tagen, möglicherweise in Wochen auftauchen.
Rahel verließ sich nicht auf ihr Glück.
Sie hatte daher sofort nach der Landung der Gleiter gegen Mitternacht begonnen, alle notwendigen Maßnahmen zur Sicherung des Camps in Angriff zu nehmen. Ihre zielstrebige Ruhelosigkeit hatte ansteckend gewirkt: Zahlreiche der Erwachsenen hatten sofort ihre Hilfe angeboten.
Mittlerweile waren die meisten erschöpft eingeschlafen. Tooma hatte Wachen eingeteilt, und sie sah die schattenhaften Gestalten, soweit die tiefe Nacht auf der kleinen Lichtung überhaupt etwas erkennen ließ. Sergent Hsien Li hatte mit ihr zusammen die erste Schicht der westlichen Wache übernommen, und es schien fast so, als würde der Veteran mit der gleichen Selbstverständlichkeit in alte Routinen zurückfallen, mit der er sein Sturmgewehr bediente. Rahel hatte mehr Kämpfe mit moderneren Waffen mitgemacht als der Milizionär in seiner ganzen Karriere, doch hatte Li von regulären Schlachten bis zu Guerillakämpfen während der Kolonialkriege hier auf Lydos alles durchgefochten, was dieser grausame Konflikt bereitgehalten hatte, und das als Unteroffizier. Er kannte Lydos besser als der Marechal. Tooma hatte nicht die Absicht, gegenüber Li mehr als nötig den Kommandanten herauszukehren.
Die Lichtung, auf der sie ihr Lager aufgeschlagen hatten, war von Tooma sorgfältig ausgesucht worden. Sie lag mitten im Dschungel,
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