Tentakel-Trilogie 1: Tentakelschatten
waren auf verschiedenen Seiten gewesen. Doch Li schwieg. Trotzdem sah sich Tooma bemüßigt, die unausgesprochene Frage zu beantworten.
»Ich habe nur gegen reguläre Einheiten gekämpft und keine der Grausamkeiten gegen die Zivilbevölkerung verübt. Mein militärischer Lebenslauf ist einwandfrei. Ich hatte natürlich auch Glück: Meine Einheiten waren nicht an den Brennenden Frauen von Tolar III beteiligt, da sie zu dem Zeitpunkt woanders im Einsatz waren. Ich hatte nichts mit dem Giftgasangriff auf Siberius zu tun, denn zu dem Zeitpunkt befand ich mich im Lazarett. Als Sikorsky die Bombardierung von Danuba Metropol befahl, war ich unten in der Stadt und leitete ein Stoßtruppkommando. Hätte damals nicht dieser … ich habe seinen Namen vergessen … Aide-de-camp den Befehl unterdrückt, wäre ich jetzt tot. Ich entschuldige damit nicht das, was passiert ist. Es ist ein Teil der Gründe, warum ich später den Dienst quittiert habe. Doch ich warne Sie: Letztlich war es eine rein egoistische Entscheidung. Erwarten Sie nicht zu viel Altruismus von mir.«
Immer noch kein Kommentar von Li.
Entweder hatte er gar keine Vorurteile oder Annahmen bezüglich Toomas Vergangenheit oder er ließ sie sich nicht anmerken, da er meinte, er sei auf ihre Dienste ebenso angewiesen wie alle anderen Flüchtlinge auch.
»Nun gut«, seufzte Tooma. »Eines Tages versuchte einer meiner Vorgesetzten, sich mir sexuell zu nähern. Ganz abgesehen davon, dass dies gegen die Vorschriften verstößt, war er ein Kotzbrocken und dermaßen unattraktiv, dass er Frauen nur dann bekam, wenn er sie bezahlte.« Tooma überlegte kurz, ob sie Li den dritten Grund für ihre Ablehnung ebenfalls nennen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Ihre sexuelle Orientierung ging den Mann nichts an. »Ich weigerte mich also und machte Meldung. Das wiederholte sich trotzdem, und zwar immer offener und vor allem mit größerer … Ungeduld. Wie sich heraus stellte, war ich das Ziel einer Gruppe von Offizieren, die es sich zum Sport machten, weibliche Mannschaftsdienstgrade und Unteroffiziere zu belästigen – und diese Belästigungen bei Widerstand eskalieren zu lassen. Schließlich bin ich vergewaltigt worden. Drei der Angreifer habe ich schwer verletzt, mit bleibenden Schäden, einer wird niemals mehr jemanden vergewaltigen. Aber es waren zu viele. Statt den Offizier zu bestrafen, drohte mir das Oberkommando mit einem Strafverfahren wegen angeblicher Insubordination und unehrenhafter Entlassung aus dem Dienst. Mein Vorgesetzter setzte seine Avancen fort, als sei nichts passiert. Er fühlte sich offensichtlich ausgesprochen sicher. Schließlich versuchte er es erneut mit Nachdruck. Zu seinen Begehrlichkeiten hatte sich ein veritabler Hass gesellt. Er wollte mich ›brechen‹, sagte er mir.«
»Er hat Sie erneut vergewaltigen wollen.« Li warf Tooma einen einschätzenden Blick zu. »Das war vermutlich eine schlechte Idee.«
Rahel lachte trocken. »Sehr schlecht. Ich war nie ein Muskelprotz, und so wird meine körperliche Kraft gerne unterschätzt. Außerdem war ich dem aufgeblasenen Popanz in allen Nahkampftechniken haushoch überlegen. Und diesmal war er allein. Er lag binnen eines Augenblickes auf dem Boden, aber anders, als er es sich vorgestellt hatte. Seine Kniescheiben mussten vollständig operativ ersetzt werden.«
»Dann wurden Sie unehrenhaft entlassen?«
Rahel schüttelte den Kopf. »Keinesfalls. Es gab nämlich zunehmend mehr Zeugen, die alle die Bereitschaft äußerten, zu meinen Gunsten auszusagen.
Viele hatten von diesen Vorgängen so richtig die Schnauze voll. Das Oberkommando wollte einen Skandal vermeiden und bot an, ich solle die ganze Sache vergessen und ich würde in eine andere Einheit versetzt. Schwamm drüber.«
Li seufzte. »Ich vermute, auch das war eine schlechte Idee.«
»Sehr schlecht. Es widersprach allem, an das ich glaubte. Meine Einheit war sauber durch den letzten Kolonialkrieg gekommen und ich hatte darauf geachtet, dass alle meine Leute gewissen Prinzipien folgten. Tat jemand das nicht, entfernte ich ihn aus meiner Einheit, und das so schnell wie nur möglich. Und jetzt sollte ich selbst diese Prinzipien verraten? Es wurde mir klar, dass ich mit einem Verfahren gegen den Vergewaltiger an die Wand rennen würde. Die Mächte, die ihre schützende Hand über ihn hielten, waren zu stark. Also zog ich die einzig richtige Konsequenz: Ich reichte meinen Abschied ein. Mein Gesuch wurde vom Oberkommando mit großer Freude
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