Tentakel-Trilogie 1: Tentakelschatten
Krankenschwester hatte sich die Hände gereinigt. Sie wirkte unbeeindruckt, nur das sachte Zittern ihrer Schultern verriet den Aufruhr, der in ihr herrschte.
»Wir kamen zu spät. Die Infektion scheint sich exponentiell auszubreiten. Als wir mit der Operation begannen, erkannte ich rasch, dass das gesamte Blut verseucht war. Doch wir haben kein Blutplasma für eine Transfusion. Es hätte auch nichts genützt: Die Sporen hatten sich überall hin ausgebreitet. Wir haben die Amputation dann doch versucht, doch all unsere Medikamente haben nach und nach versagt. Jonas ist am Schock verstorben. Es war ein gnädiger Tod, denn er ist nicht wieder zu Bewusstsein gekommen.«
Zum Schluss hatte die Stimme der Frau auch zu zittern begonnen.
Rahel blickte in Alwas Augen.
»Sie haben im Krieg gedient«, stellte sie fest.
»Im Sanitätscorps der Miliz, zuletzt bei der Schlacht um Terka. Ich habe viel gesehen. Ihre Leute waren nicht zimperlich.«
Kein Vorwurf, eine Feststellung.
Rahel nickte. Noch ein Veteran, den es in die Dschungelebene verschlagen hatte.
»So was aber ist mir noch nie untergekommen«, fügte Alwa hinzu und wies auf den Körper. »So was ist … widerlich. Und wir haben noch ein Problem.«
»Das wäre?«
»Jonas' Körper ist tot, alle Hirnmuster erloschen, aber die Samen leben weiter. Die ausgeschlagenen Wurzen wachsen immer noch. Die Ausbreitung geht voran. Die Umwandlung wird fortgesetzt. Ich weiß ja nicht, was aus dem Leichnam wird, wenn die Metamorphose beendet wird, aber ich muss ausdrücklich raten, den Körper einzuäschern. Ich befürchte, dass, wenn wir ihn begraben … nun, ich weiß nicht. Es ist nur ein Gefühl, aber die fortgesetzte biochemische Aktivitäten der Sporen wirkt sehr zielstrebig für mich.«
Vor Rahels geistigem Auge entstand das Bild eines Grabes, aus dem ein Tentakelkrieger wuchs, der sein Wachstum aus dem Leichnam speiste.
»Sie selbst sind nicht infiziert?«
»Es gibt keine Infektion über die Luft, soweit ich das habe feststellen können. Ich habe mein eigenes Blut bereits getestet, es gibt keinerlei Infektion. Man muss durch so einen Stachel getroffen werden. Schlimmeres kann aber noch kommen, wenn die Metamorphose ein gewisses Stadium erreicht hat. Ich plädiere dafür, den Leichnam sofort zu vernichten.«
»Ich veranlasse es.«
Es dauerte nicht lange, dann war Jonas' Leichnam verpackt und abtransportiert worden. Li hatte Tooma versichert, dass er sich persönlich um die Einäscherung kümmern würde. Trotz Alwas Zusicherungen hatte Rahel daraufhin bei allen, die mit Jonas in Berührung gekommen waren, Bluttests angeordnet. Glücklicherweise hatten sich die Angaben der Chefärztin – und das war sie nun de facto, wenngleich nicht von der Ausbildung her – als korrekt herausgestellt. Niemand zeigte auch nur den kleinsten Hinweis auf Sporen in seinem Blut.
»Das Ganze hat natürlich auch taktische Konsequenzen«, meinte Rahel zu Li, nachdem dieser von seiner Mission zurückgekehrt war. »Wir können mit unseren Mitteln Verletzten offenbar nicht helfen. Das heißt, wir müssen sie sofort töten, sobald wir erkennen können, dass Sporen sie getroffen haben. Damit verkürzen wir ihr Leiden und kontrollieren gleichzeitig eine mögliche Infektion. Wenn dann noch das stimmt, was Alwa vermutet, sind die Verletzten auch nach ihrem Tode eine mögliche Gefahr. Wir müssen daher sehr gründlich vorgehen.«
»Das wird nicht immer möglich sein«, gab Li zu bedenken.
»Das mag sein. Aber eines ist klar: Es nützt uns nichts, Verletzte zu bergen, wenn die Verletzungen aus einem direkten Tentakelangriff herrühren. Dies ist eine Art biologischer Kriegsführung, und wir haben nichts, mit dem wir dagegen aktiv werden können. Es bleibt uns keine Wahl als … nun, ein Gnadenschuss. Das klingt brutal und es ist brutal, aber so ist unser Feind.«
Rahel sah forschend in Lis Augen. Es würde schwer genug sein, diese Doktrin bei den anderen kampffähigen und kampfwilligen Flüchtlingen zu verbreiten, es war jedoch fast unmöglich, wenn Li die Sache nicht genauso sah wie sie. Der Veteran überlegte jedoch nicht lang.
»Ich stimme zu. Wir werden tun müssen, was notwendig ist. Es wird nötig sein, alle auf diese mögliche Perspektive vorzubereiten.«
»Das werden wir morgen tun«, entschied Rahel. »Ich möchte ohnehin eine Art Versammlung einberufen und einige Dinge besprechen. Wir müssen Rationierungen beschließen und für diese Festung eine Hausordnung festlegen, nicht zuletzt
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