Tentakel-Trilogie 2: Tentakeltraum
sein sollten.
In dieser Absicht sah er sich einig mit Jahrhunderttausenden von Vorfahren.
Er hatte Zeit.
8 Lydos
Rahel und Maschek standen vor dem einfachen Grab. Sie waren alleine, zumindest hatten sie das Gefühl. Tatsächlich wartete die Gruppe der Flüchtlinge keine fünfzig Meter von hier entfernt darauf, dass sie sich ihr anschließen und zum nächsten Lagerplatz aufbrechen würden. Diesen hatten Späher, darunter einer von Mascheks Männern, bereits ausfindig gemacht. Lis Grabstätte würde hier bleiben, und mit der Zeit, spätestens wenn wieder Frühling war, würde sie im Unterholz des Dschungels verschwinden. Das kleine Metallkreuz, das sie, nur mit dem Namen des Verstorbenen versehen, in die Erdwölbung gesteckt hatten, würde irgendwann umfallen oder überwuchert werden. Wahrscheinlich würde niemand mehr je dieses Grab besuchen. Es war ein zweiter Abschied für immer, und obgleich Rahel normalerweise nicht zu Sentimentalitäten neigte, wollte sie sich nicht von diesem Ort lösen.
Wieland hatte sich an das »Urteil«, das Rahel über ihn ausgesprochen hatte, gehalten. Seit jenem verhängnisvollen Tag hatte niemand den Mann wieder gesehen, auch keiner der Späher. Es hatte Momente gegeben, in denen Rahel sich beinahe gewünscht hätte, dass der Exilant ihre Anordnung missachten und sich in die Nähe des Lagers gewagt hätte; damit hätte sie einen wunderbaren Grund gehabt, ihn zu töten. Li fehlte ihr an allen Ecken und Enden, und obgleich sich sowohl Dolcan und Kavaczek wie auch Maschek – gerade Maschek! – sehr bemühten, konnten sie den alten Sergenten nicht ersetzen. Niemand würde das können, und selbst Lis angebliche Taten aus seiner Vergangenheit konnten nichts daran ändern, dass Tooma ihn schmerzlich vermisste. Sie wusste, dass die Wunde heilen würde, und ihre Pharmaka überdeckten jede Anwandlung von Schmerz mit wohltuenden Endorphinen. Sie wusste aber auch, dass der Heilungsprozess weitaus schneller vonstatten gegangen wäre, wenn Li etwa im Kampf gegen die Tentakel gefallen wäre. Getötet von einem anderen menschlichen Überlebenden – das war mehr als nur töricht, es war von absurder Tragik, und Rahel haderte diesbezüglich mit dem Schicksal mehr, als sie sich zugestehen mochte.
»Wir müssen etwas tun«, murmelte sie schließlich. Maschek horchte auf.
»Ich tu, was ich kann, um meine Leute und mich in Ihre Gruppe zu integrieren«, beteuerte er. »Wielands Tat hat dabei nicht gerade geholfen. Es wird noch etwas dauern, bis uns auch so etwas wie Vertrauen entgegen gebracht wird – auch von Ihnen, Marechal.«
Rahel sah Maschek leicht verwundert an. »Das meinte ich gar nicht, zumindest nicht direkt. Natürlich haben Sie damit Recht, aber was ich sagen wollte: Wir müssen uns ein Angriffsziel aussuchen, und das möglichst schnell. Nicht nur, dass es die Gruppe auf andere Gedanken bringen wird, nein, es wird damit auch das Ziel erreicht, das Sie eben angesprochen haben: Wenn wir zusammen einen Angriff erfolgreich durchführen, wird man Ihnen mehr Vertrauen entgegen bringen.«
»Und wenn es nicht klappt, wird das Misstrauen nur noch größer«, ergänzte Maschek bitter. Rahel zuckte mit den Schultern.
»Das gehört zum Risiko. Sind Sie einverstanden?«
»Komische Frage. Ich habe es selbst vorgeschlagen, als wir uns das erste Mal besprochen haben und ich mich Ihrem Kommando unterworfen habe. Ich bin jederzeit bereit für eine Aktion, und wir sollten das Ziel gründlich auswählen, um exakt zu vermeiden, was ich als das Risiko bezeichnet habe. Wir sind zum Erfolg verdammt, zumindest dieses eine Mal, und sollten so wenig wie möglich dem Zufall überlassen.«
Dem konnte Rahel nicht widersprechen.
Sie kehrten zu den Wartenden zurück. Maschek konnte nicht an sich halten und verkündete sogleich die Entscheidung, man werde baldmöglichst nach Etablierung des neuen Lagers einen erneuten Angriff auf die Tentakel planen. Rahel hätte dies gerne noch etwas für sich behalten, doch jetzt machte sie gute Miene zum bösen Spiel und nahm die allseitigen Glückwünsche mit etwas erzwungenem Lächeln entgegen. Maschek aber schien das Richtige getan zu haben, denn die Stimmung hellte sich merkbar auf.
»So lange wir den Tempel nicht angreifen, soll es mir recht sein«, meinte einer von Mascheks Männern, ein ehemaliger Kolonialmilizionär namens Janko, in halb scherzhaftem Ton. Rahel hörte einen bestimmten Unterton heraus und wurde hellhörig. Schon als sich die Kolonne der
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