Teppichporsche: Kriminalroman (German Edition)
doch alles nicht wahr sein.
Die gute Nachricht war, dass der Twingo in einem Stück zurückgekehrt war. Außerdem war er von sämtlichem Taubendreck befreit. Allerdings gab es etwas Wesentliches an ihm, das meinen Blutdruck in den Minusbereich abstürzen ließ. Der Twingo war schwarz.
Es war nicht so, dass ich ein Problem mit schwarzem Lack hatte. Aber dies hier war kein Lack. Es war nicht metallisch und es glänzte auch nicht. Es war so matt wie die Gummisohlen meiner Turnschuhe. Und was noch schlimmer war: Es hatte eine Struktur.
Langsam näherte ich mich dem Wagen und beugte mich über die Motorhaube. Ich zeigte auf die linienartigen Spuren im Lack.
»Was ist das?«, herrschte ich den Türken an, der noch im Twingo saß. Er hatte die Fahrertür geöffnet, seine Haare lappten wie verbranntes Sauerkraut über seine Stirn.
»Das kommt vom Farbroller. Ist ganz normal. Guck.«
Er hielt einen Schaumstoffroller aus dem Fenster. Ich kannte die Dinger. Als Teenager habe ich meinem Vater mit so einem Roller beim Streichen geholfen. Ich wusste nicht mehr, was ich damals gestrichen hatte, aber auf gar keinen Fall war es ein Auto gewesen. Ich schaute an dem Roller vorbei wieder auf die Motorhaube. Ein paar Leute gingen vorbei und blieben kurz stehen. Sie guckten auf den Wagen, dann auf mich, grinsten und gingen weiter.
»Was für ein Zeug ist das?«
»So was wie Tafellack«, sagte der Türke sofort und stieg aus.
»Was soll das heißen, ›so was wie‹?«, brüllte ich Metin an.
»Tafellack ist teurer«, argumentierte er mit zuckenden Armen.
»Seid ihr bescheuert?«, schrie ich beide an. »Der Wagen sieht aus wie eine Mülltonne auf vier Rädern! Wie ein geteerter Haufen Scheiße. Das Zeug schmilzt doch in der Hitze!«
»Ne, schmilzt nicht«, druckste der Türke. Auch Metin schüttelte den Kopf. Ich atmete schnell, meine Hauptschlagader schlug mir bis unters Kinn und mir wurde schwindelig.
»Sie hyperventiliert«, stellte Metin fest, packte mich am Arm, winkte dem anderen zum Abschied und zerrte mich ins Büro. Dort platzierte er mich in seinen Sessel und setzte sich vor mich auf den Schreibtisch, sodass ich unweigerlich in seinen Schritt gucken musste.
»Der Lack schluckt Licht. Ist doch super für nächtliche Beschattungen. Außerdem merkt man aus der Ferne gar nicht, dass es kein Originallack ist.«
Mein Herz klopfte mir bis zum Hals, aber meine Atmung beruhigte sich langsam.
»Lass es eine Woche drauf und wenn es dir immer noch nicht gefällt, können wir es ja wieder runtermachen.«
»Geht das denn?«, wollte ich wissen.
»Klar«, antwortete Metin.
Ich glaubte ihm nicht.
Er drückte mir den Schlüssel in die Hand. »Und? Was steht an?«, fragte er und tätschelte meine Hand.
»Ich fahre noch mal zum Haus von Marisa Nowak und versuche, etwas über den Teppichporsche herauszubekommen.«
Daraufhin tätschelte er meine Schulter. »Braves Mädchen.«
Dass ich sie außerdem zum Verschwinden von Richard Pfeiffer befragen wollte, brauchte er nicht zu wissen.
Am Samstagmittag war die Nebenstraße des Ückendorfer Platzes genauso tot wie unter der Woche. Die Parkplätze waren belegt und die Anwohner hatten sich in ihren Wohnungen verkrochen. Nur die dubiose dicke Frau mit den silbernen Haaren und dem massigen Vorbau hing aus dem Fenster und strafte Passanten wie mich mit einem bissigen Terrierblick ab. Ich parkte am Bürgersteigrand, stieg aus dem Wagen, marschierte über die Straße und drückte auf die Klingel. Prompt entriegelte der Summer das Schloss, ich stemmte mich gegen die Tür und meine erste Euphorie anlässlich des problemlosen Reinkommens ins Treppenhaus sackte ins Unterdurchschnittliche. Es roch nach Terpentin, das Licht fiel kläglich durch die verschmierten Bullaugen über der Tür. Der Boden war grau gefliest, die einst weißen Tapeten über die Jahre grau und fleckig geworden. Sandiger Schmutz rieb sich unter meinen Schuhsohlen auf den Treppen ab, das Geräusch hallte im ganzen Treppenhaus nach. Ich stelzte aufwärts, schmachtend und in der Hoffnung, dass die Stufen irgendwann aufhören würden. Schließlich erwartete mich eine schlanke Frau in einem Türrahmen auf der dritten Etage und ich hoffte, dass ich trotz meines kläglichen Geröchels einen einigermaßen kompetenten Eindruck auf sie machte. Ich kam ihr mit einem Kopfnicken entgegen. Aus den Akten wusste ich, dass sie 37 war. Ihr haselnussbraunes Haar fiel glatt über ihre Schultern und reichte ihr bis zur Taille. Ihre
Weitere Kostenlose Bücher