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Teppichporsche: Kriminalroman (German Edition)

Teppichporsche: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Teppichporsche: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonja Ullrich
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geschnitten?«
    »Brotmaschine.« Sie hatte eine Fahne und nuschelte, als hätte sie zu viel Spucke im Mund. Ich betrachtete ihren Finger eingehender und stellte fest, dass das Blut mehr plätscherte als tropfte.
    »Wir sollten ins Krankenhaus fahren. Das hört doch nie auf.«
    Sie schüttelte ihre verwundete Hand, sodass kleinste Tropfen Blut gegen meine Stirn und die Wand hinter mir spritzten. Ich dachte darüber nach, ob ich die Flecken sofort von der Tapete wischen sollte, ehe sie eintrockneten. Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass wir einen solchen Fall bereits hatten. Der Linoleumboden in der Küche war nie ein Problem.
    »Ist nicht so schlimm. Hol mal ein Pflaster«, lallte sie und zog eine Grimasse, als sich eine Blutlache zwischen unseren Füßen bildete. Zweifelsohne war sie so voll wie die Regentonne hinter der Laube.
    Wie herrlich.
    »So eine Sauerei!«, fluchte sie und bewegte ihren Finger zur Seite, sodass neben ihrem Fuß eine weitere Lache entstand. Dann hörte ich Vaters Füße, wie sie die maroden Treppenstufen über unseren Köpfen zum Knarren brachten. Er trat in die Küche und sah auf den Finger sowie auf meine Mutter als Gesamtbild. Mich bemerkte er gar nicht.
    »Wie hast du das wieder gemacht?«
    »Ich wollte Brot schneiden!« Sie legte ihr blasses Gesicht, das mittlerweile mehr gelb als weiß war, in Zornesfalten. Ich mochte diesen Ausdruck nicht. Hinter den Rücken meiner Eltern nannte ich ihn ›neunmal gefaltetes Origami-Gesicht‹, weil er so viele Furchen in ihre Züge grub. Muttis spitzes Kinn war gerötet, ihre Wasseraugen quollen aus den Höhlen und es sah fast so aus, als hätte sie keine Brauen, weil diese so hell und dünn waren wie ihr Teint, in dessen riesigen Poren sich Fliegenfüße verheddern konnten.
    »Welches Brot denn? Wir haben doch gar kein Brot!« Seine Stimme wurde lauter. Ihr Körper unter der blondierten Dauerwelle wackelte und sie stützte sich auf dem Sideboard auf, was kurzerhand einen roten Anstrich bekam.
    »Doch!«
    Sie verließ die Küche und wankte ins Badezimmer.
    Paps sah mich an. »Und du? Hast du eins aufs Vordach bekommen?«
    Ohne zu antworten ging ich ins Bad, wo Mutti gerade die Pflasterschachtel aus dem Apothekerschrank fischte. Die Pappe war vom Blut bereits durchweicht, noch ehe sie sie öffnete. Über dem Waschbecken pulte sie das Klopapier in Fetzen und verstopfte damit den Ausguss. Das retro braune Keramikbecken aus den späten 70ern war bis an den Rand mit Blut besudelt, das die Wölbung hinunter rann und Spuren hinter sich zog. Meine Mutter nahm die Meterware Textilpflaster, die man üblicherweise mit einer Schere in Querstreifen schneidet, an einem Stück, riss die komplette Schutzfolie ab und wickelte den Teppich von einem Pflaster um ihren Finger, sicherlich fünf oder sechs Mal; was auch nötig war, weil die erste Wickelung kaum auf dem nassen Finger haftete.
    Jetzt ähnelte er einer wurstfarbenen Litfaßsäule.
    »So!« Triumphierend hob sie den Finger auf Augenhöhe und strafte ihn mit Zornesfalten. Klein gewickelte Locken fielen ihr ins Gesicht. Paps stellte sich zwischen mich und Mutti und taxierte uns abwechselnd.
    »Ich bin im Irrenhaus«, brummte er.
    Dann gaben Muttis Knie nach und ich fuhr mit ihr und meinem Bruder ins Krankenhaus, wo die Wunde nach kurzer Wartezeit mit vier Stichen genäht wurde.
    »Und sonst? Wie geht’s?«, fragte ich Olaf, während wir mit unserer verarzteten Mutter zurück nach Hause fuhren.
    »Nichts Neues.«
    »Was machen die Kinder?«
    »Weiß ich grad nicht. Ich habe sie nächstes Wochenende wieder.« Er lächelte weich.
    Olaf war seit einem Jahr geschieden und bekam die Mädchen fast jedes Wochenende. Melissa war fünf und wollte Müllwagenfahrerin werden. Vanessa war drei und verfiel in epilepsieartige Panikzustände, wenn sie einen Müllwagen sah.
    Zu Hause angekommen begrüßte uns Vater bereits am Gartentor. »Das war kein Brot, was du geschnitten hast. Das war der angetaute Hackbraten.«
    »Ach so«, erwiderte Mutti und ging zurück ins Haus.
    »Wie viele?«, wandte er sich an mich.
    »Vier Stiche.«
    Er nickte schweigend und warf einen kurzen Blick über das Gartentor hinweg auf den Twingo, der vor dem Haus auf dem Bürgersteig parkte. Paps schien eine Veränderung festzustellen, wusste aber wohl nicht, worin diese bestand. Mir war es nur recht. Eine Minute später stand meine Mutter wieder in der Haustür und winkte mit einer Zigarettenschachtel. »HBs! Danke! Die kann ich gut

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