Teppichporsche: Kriminalroman (German Edition)
außerordentlich blauen Augen, die durch flache Wangenknochen und eine schmale Nase nur noch mehr hervorgehoben wurden, starrten mich verwundert an. Sie lächelte nicht, aber ich nahm an, dass ihre Zähne genauso gepflegt waren wie der Rest ihres Äußeren. Sie war eine echte Schnitte, wie man zu meiner Schulzeit zu sagen pflegte. Und irgendwie passte sie nicht in diese Bruchbude.
»Marisa Nowak?«, schnaufte ich sie an.
»Wer sind Sie?«, fragte sie sofort. Ihre Stimme war tief und für meinen Geschmack einen Tick zu laut.
»Ich bin Privatermittlerin. Und ich brauche Informationen zu dem Verschwinden von Richard Pfeiffer.«
Nowak schluckte und war völlig verdutzt. Sie maß mich von meinen Brauen bis zu den Füßen.
»Richard Pfeiffer? Der Mann von Ulrike?«
Ich nickte. So weit, so gut.
»Können Sie sich ausweisen? Für wen arbeiten Sie?« Finster musterte sie mich.
»Das darf ich Ihnen leider nicht mitteilen«, erwiderte ich und zog meinen amtlich anerkannten laminierten und total lächerlich aussehenden Ausweis aus der Tasche. Sie inspizierte ihn eine ganze Weile. Sie guckte ihn sogar so lange an, dass ich mich langsam fragte, ob sie vielleicht eine Leseschwäche hatte, denn so viel gab es auf dem Papier auch wieder nicht zu entschlüsseln. Wahrscheinlicher war, dass sie mehr Zeit zum Denken brauchte.
»Bestimmt arbeiten Sie für diesen Sachs, oder?«, hakte sie schließlich nach.
»Für wen?«
»Hugo Sachs, Richards Arbeitskollege. Die beiden steckten doch ständig die Köpfe zusammen.«
Im Geiste notierte ich mir den Namen und überging ihre Frage. »Woher kennen Sie die Pfeiffers?«
In ihrem Gesicht rührte sich nichts. »Von der Arbeit.«
»Welcher Arbeit?«
»Ihrer Arbeit«, sagte sie sofort und klapperte eifrig mit ihren Lidern. »Ulrikes.«
»Was macht sie denn?«
Nowaks Mundwinkel verzogen sich. »Was soll das werden? Sind Sie nun wegen ihm hier, oder nicht? Also: was wollen Sie wirklich wissen?«
Ich merkte, dass ich drohte, in eine Sackgasse zu geraten, und schwenkte um. »Frau Nowak, können Sie mir erzählen, wie Sie von dem Verschwinden Herrn Pfeiffers erfahren haben?«
Etwas entspannter zuckte sie mit den Schultern. »Ulrike hat mich vor zwei Tagen angerufen und gesagt, ihr Mann wäre gerade einfach gegangen. Tür auf, Richard raus, Tür zu, verstehen Sie? Sie war total am Heulen. Ich bin also zu ihr nach Hause gefahren und habe sie erst mal beruhigt. Seitdem hab ich nix mehr davon gehört.«
»Und können Sie sich seinen Weggang erklären?«
Sie zögerte. »Sie hatten viel Streit.«
»Tatsächlich? Wie oft denn? Waren es eher laute Auseinandersetzung oder ist irgendjemand handgreiflich geworden?«, hakte ich sofort nach.
»Na hören Sie mal!«, fauchte sie mich an und blickte über ihre Schulter in die Wohnung. »Schluss jetzt. Mein Essen kocht gleich über«, sagte sie schnell und machte Anstalten, ihre Wohnungstür zu schließen. Sofort schrillte bei mir die Alarmglocke.
»Warten Sie!«, rief ich lauter als beabsichtigt und stockte vor Überraschung, als sie meiner Aufforderung tatsächlich nachkam. »Wo ist denn Ihr Hund?«
»Mein Hund? Der ist bei meinem Exmann.« Mit Schmackes knallte sie die Tür zu.
Das war nicht optimal gelaufen. Trotzdem war ich guter Dinge, als ich den Flur hinuntertrabte. Ich verließ das Haus. Und wurde von der stehenden Schwüle beinahe erschlagen, die mich draußen empfing. Allmählich ging mir die Hitze auf die Nerven. Genauso wie der warme Wind, der hin und wieder ein paar Böen rülpste. Sein Eifer hatte ein bisschen was von den Centmünzen in den Spendendosen der Kinderhilfe – es war zu wenig für die große Rettung. Ich ging zu meinem Auto zurück. Ein paar Tauben hatten meine Abwesenheit genutzt, um auf dem Faltdach ihre Meinung kundzutun. Und jetzt, wo der Twingo ganzheitlich schwarz war, leuchtete der Taubendreck wie eine Horde entzündeter Pickel auf meiner Stirn. In meiner Blutbahn oxidierte etwas und die Synapsen schalteten meine Hirnströme auf den Vendetta-Kanal. Plötzlich dachte ich an Onkel Hubsi.
Nach der Signalschussattacke war Tante Pelagia noch zwei Monate im Krankenhaus geblieben, während Onkel Hubsi im Knast an seinen Memoiren geschrieben hatte. Ich hörte, dass er, zurück in Herne, seine Memoiren mit einer Klebebindung aus dem Copyshop verfestigte. Doch niemandem war es je vergönnt gewesen, einen Blick auf sie zu werfen.
Niemals würde ich wie Onkel Hubsi werden, ganz egal, wie viele Mutti-Gene in mir steckten.
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