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Teppichporsche: Kriminalroman (German Edition)

Teppichporsche: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Teppichporsche: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonja Ullrich
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Mir reichte allein schon der Gedanke, dass ich eine Patrone abfeuern könnte , wenn ich es wollte. Doch dies kam praktisch nicht infrage, denn es fehlte etwas Entscheidendes. Und ich wurde quarrig. Also rief ich jene Person an, die mein Missbehagen am ehesten nachvollziehen konnte.
    »Ich brauche eine Knarre«, knurrte ich.
    »Ich habe eine hier«, reagierte Metin sofort.
    »Und einen Waffenschein brauche ich auch noch.«
    »Der kostet 100 Euro«, stellte Metin fest. »Den kriegst du aber nicht.«
    »Wieso nicht?«, nölte ich ihn an. »Du hast doch auch einen!«
    »Dönekes. Ich hab eine Waffenbesitzkarte. Ohne die geht gar nichts.«
    »Na gut. Und wie krieg ich die?«
    »Du musst schießen können. Dauert ein Weilchen. Ist wie ein Führerschein für Ballermänner.«
    »Da ist also der Haken«, nörgelte ich.
    »Geh zum Schießsportverein im Norden. Der ist ganz liberal. Aber sag denen nicht, dass du von mir kommst.«
     
    Am Sonntagmittag, dem Muttertag, parkte ich den Twingo am Ende der Schillstraße in der Alten Kolonie Dortmund-Eving. Im Schatten der Platanen blieb ich dort einen Augenblick sitzen und starrte hinüber auf das geviertelte Zechenhaus, in dem mein Bruder und ich aufgewachsen sind.
    Die Kolonie stand mittlerweile unter Denkmalschutz, aber meine Eltern wohnten immer noch dort. Ihr Haus war teilweise rot geziegelt und ihre Fugen waren mit Moos und Unkraut begrünt. Der Hof neben dem Haus war mit sechseckigen Pflastersteinen verkleidet. Wenn es stark regnete, bildete sich in der Mitte eine vier Zentimeter tiefe Wasserlache. Als wir noch klein waren, gab es hier nichts aus Asche und Sand. Mein Vater hatte sehr viel Blut und Schweiß in den Garten und den Hof gesteckt. Doch mit seinem fortschreitenden Alter und der damit einhergehenden Trägheit verfiel das Gartengelände zusehends. Der Rasen vor dem Haus wuchs mittlerweile wild, die Beete blieben zu allen Jahreszeiten kahl und die Wurzeln der Platanen, die zur einen Hälfte im Garten und zur anderen Hälfte auf dem Bürgersteig standen, durchpflügten Gras und Stein.
    Das Holztor war berädert und klapperte wie ein galoppierender Gaul, als ich es öffnete. Bei dem Geräusch steckte mein Bruder prompt seinen Kopf aus der Tür.
    Olaf war drei Jahre älter als ich und wir beide ähnelten uns kein bisschen. Während er mit seinen dunklen Haaren und tief liegenden Brauen optisch nach unserem Vater schlug, ähnelte ich mehr unserer Mutter, die wie ich blonde Haare hatte und im Hochsommer zu Sommersprossen neigte. Charakterlich allerdings drifteten wir Kinder weit von unseren Eltern fort. Zumindest behaupteten wir das immer wieder.
    Olaf arbeitete als Berichterstatter für die WAZ, die Westdeutsche Allgemeine Zeitung, und fotografierte außerdem bei irgendwelchen Partys, Aufführungen, Jubiläen und weiß Gott noch wo. Er hatte ein paar Bücher über gesellschaftliche Belange geschrieben, aber reich geworden war er davon nicht. Er wohnte in Lünen an einem künstlich angelegten Kanalwassersee. Wenn die Sonne dort ihren täglichen Höchststand erreichte, schlugen sich besoffene Jugendliche gegenseitig die Köpfe ein.
    »Was ist denn mit dir passiert?« Olaf kam auf mich zu und starrte auf meine Nase.
    »Eine kleine Auseinandersetzung mit einem Mandanten«, log ich. Ich wollte kein Wort darüber verlieren, dass mein Chef handgreiflich wurde, um mein Auto zu streichen.
    »Solange dir dein Job gefällt.« Er versenkte seinen Kopf in die Plastiktüte, die ich mitgebracht hatte. »Was gibt’s denn Schönes? Geschenke? Keine Blumen?«
    »Wie sieht es da drinnen aus?«, fragte ich, ohne auf seine Frage zu antworten.
    »Wie immer. Jeder tut, was er am besten kann«, redete er in die Tüte.
    »Lass mich raten: Paps enträtselt die bodenlosen Geheimnisse des Internets.«
    Olaf nickte.
    »Und was macht Mutti?«, erkundigte ich mich.
    Er schaute auf. »Na was schon. Bluten.«
    Ich ging durch die Tür und durchquerte den strandtuchgroßen Flur. Meine Mutter stand unter der drögen Funzel in der Küche und glotzte auf ihre Hand. Eine Ladung Klopapier haftete wie feuchtes Pappmaschee an ihrem Zeigefinger. Es war blutdurchtränkt. Das Klopapier war vierlagig, aber trotzdem ein Billigprodukt, denn der Stoff wurde bei Kontakt mit Feuchtigkeit faserig und bildete Krümel. Es hatte den Anschein, als hätte sie einen kleinen langen Kaktus eingewickelt. Ich stand direkt vor ihr, als ein dicker Tropfen Blut auf meinen Fuß fiel.
    »Womit hast du dich

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