Teppichporsche: Kriminalroman (German Edition)
wurde mir bei dem Anblick der ganzen Szenerie heiß und kalt.
Es war wie im Fernsehen.
Gregor stieg aus und zog mich vorsichtig aus dem Wagen. Wegen des aufgeweichten Rasens und meiner Butterarme verzichtete ich auf die Krücken und stützte mich stattdessen auf seinen Schultern ab. Er ging schnurgerade auf die Unglücksstelle zu und ich wusste nicht, was er vorhatte. Grob pflügte er sich durch die Menschenmasse und schaffte es bis nach vorn. Als er das Absperrband über seine Schulter warf, blieb mir das Herz stehen.
»Ist schon in Ordnung«, beruhigte er mich.
Ein Mann kam auf uns zu. Er war ein sportlicher Typ mit dunklen Haaren und einem akkurat rasierten Bart. Er trug eine schwarze Jeans und kniehohe Gummistiefel. Sein helles Hemd war von Modder verdreckt. Er nickte Gregor wortlos zu und schaute postwendend mich an. »Edgar Ansmann«, stellte er sich vor.
Ich zögerte. Den Namen hatte ich irgendwann schon mal gehört. »Esther Roloff.«
»Tozduman«, ergänzte Gregor.
»Metin Tozduman«, machte Ansmann weiter. Der Unterton in seiner Stimme gefiel mir nicht.
Abwehrend schüttelte ich den Kopf, denn jetzt fiel es mir wieder ein. Ansmann war der unkooperative Typ vom Bochumer K 11. »Hören Sie«, beschwichtigte ich. »Dass ich hier bin, hat nichts mit Tozduman Securities zu tun.«
»Gut, dass Sie mich daran erinnern, dass Kriminalbeamte mit Leuten wie Ihnen nichts zu schaffen haben.« Er leuchtete mir mit der Taschenlampe ins Gesicht. »Also. Was machen Sie hier? Und was ist mit Ihrer Nase?«
»Ein Sportunfall«, gab ich knapp zurück und sah Hilfe suchend zu Gregor. Ansmann verfolgte meinen Blick mit der Taschenlampe und die Männer starrten sich durchdringend an, ohne irgendeinen Laut von sich zu geben. Dann nickte Ansmann und seine Neugier schien sich in Wohlgefallen aufzulösen. Es war eine irritierende Situation. Wieder leuchtete er mir ins Gesicht. »Denken Sie nicht, ich wüsste nicht, wer Sie sind. Ein Klebezettel mit Ihrem Namen hängt an meinem Flipchart, direkt unter: ›Leute, die nach Toten fragen, bevor sie überhaupt tot sind.‹« Er machte eine Pause und ich unterdrückte den Impuls, ihm zu widersprechen. »Wir unterhalten uns nachher«, sagte er dann und ging wieder. Verschreckt blinzelte ich ihm hinterher und es dauerte eine Weile, bis ich mich wieder an die Dunkelheit gewöhnt hatte. Unkoordiniert flog mein Blick über das Szenario vor mir. Dann sah ich, was eigentlich passiert war: Ein Wagen steckte zur Hälfte im Fluss. Das Heck ragte heraus wie der Hintern einer scheuernden Putzfrau. Ich erkannte das Auto sofort.
»Das ist der Audi von Hugo Sachs!«, erklärte ich Gregor.
»Der Fahrer sitzt da vorn im Streifenwagen«, antwortete er. Ich folgte seinem Blick zu einem Polizeiauto. Es war zu dunkel, um irgendetwas darin erkennen zu können. Mein Puls klopfte mir in den Ohren und ich schlug die Hand vor den Mund. Der monströse Haken des Abschleppwagens zerrte an dem Audi und die Heckklappe federte auf und ab. Sie war wohl bereits geöffnet worden.
Sehr langsam und sehr konstruktiv reihten sich meine Gedanken aneinander: Gregor behauptete am Telefon, man hätte Richard Pfeiffer gefunden. Und was auch immer ich mir seiner Ansicht nach an der Hattinger Ruhrwehr ansehen sollte, Richard Pfeiffer gehörte nicht dazu. Oder doch? Ich schielte noch einmal zu dem abgesoffenen Audi hinüber. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
»Pfeiffer ist da drin«, sagte ich.
Gregor räusperte sich. »Sie konnten ihn bislang noch nicht einwandfrei identifizieren.« Flugs war ich in Watte eingepackt. Ich fühlte die Menschen hinter meinem Rücken und registrierte das Blitzlichtgewitter der Presseleute. Ich hörte ein Rumoren und ein Gebrabbel, aber ich verstand kein Wort mehr von dem, was sie sprachen. Als befände ich mich in einer milchigen Glaskiste. Ich starrte auf den Audi und seine schwingende Heckklappe. Polizisten breiteten hinter uns eine Plane aus; ein Zelt, um den Tatort abzuschotten.
Hinter mir, dachte ich.
Die Leute sollten die Leiche nicht sehen. Doch ich stand vor der Plane. Ich stand hinter dem Auto. Und der Abschleppwagen zog den silbernen Audi direkt auf mich zu. Nur einen Moment später erreichten alle vier Räder festen Untergrund. Wassermassen trieben aus dem Motorraum und ich dachte unweigerlich an das Wasserbett in Pfeiffers Haus. Ein paar Leute in weißen Anzügen umstellten den Kofferraum. Sie sahen aus wie die Ärzte aus E. T.
Die Spurensicherung.
Dann
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