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Teppichporsche: Kriminalroman (German Edition)

Teppichporsche: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Teppichporsche: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonja Ullrich
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80 Euro im Jahr für ärztliche Visiten und den Notdienst berappen.
    Ich ging in die Küche und lehnte mich gegen den kalten Kohleherd. Das Haus wurde ausschließlich mit diesem Ofen beheizt. Der auf Hochglanz polierte weiße Herd hatte eine gusseiserne Kochplatte und ein Innenleben aus hitzebeständiger Schamotte. Als einziger Heizkörper war er zwangsläufig der Mittelpunkt des Roloff’schen Haushaltes. Der Kamin in seinem Rücken war ein verlängerter Schornstein, durch dessen Schacht die verrußte Hitze aus dem Haus gepustet wurde. Wenn zweimal im Jahr der Schornsteinfeger kam, blieben im Erdgeschoss die Türen geschlossen. Das Geschirr verschwand im Schrank, die Tischwäsche wanderte in die obere Etage. Jeder verließ das Haus oder verzog sich in seine Kajüte. Schließlich brach der grandiose schwarze Pfeifenreiniger vom Dach durch den Schornstein zum Mittelpunkt des Hauses hinunter und befreite ihn von sämtlichem Dreck, indem er ihn von oben nach unten durch das Mauerwerk direkt in unsere Küche pustete. Abschließend sausten alle zurück ins Haus und putzten fluchend den Ruß und Staub von den Wänden ab. Es war ein Ritual, aber auch Teil der debilen Traditionsgeschichte des Bergmannes Gustav Roloff und seiner Frau Herta, die zwei Kinder zeugten, damit sich ein Kind um die Kohlen und das andere um das Unkraut in den Steinfugen kümmern konnte.
    »Möchtest du was essen?«
    »Was hast du denn?«
    »Würstchen.«
    Ich zog eine Schnute. »Na gut. Wo ist Mutti?«
    »Die guckt oben gerade einen ihrer Schockerfilme.« Er fummelte einen Stahltopf aus dem Schrank und ließ kaltes Wasser ein. Ich legte mich derweil im Wohnzimmer auf das Sofa und ließ die Füße über die Lehne baumeln. Ich schloss die Augen und wurde irgendwann von meiner Mutter aufgeschreckt, als sie mit schlurfenden Hausschlappen die Treppe hinunter und in die Küche stapfte. Sie röchelte wie ein leer gefahrener Oldtimer und suchte den direkten Weg zu ihrem Zigarettenvorrat in der obersten Schublade der Spanplattenkommode unter dem Fenster. Anschließend schubsten ihre Füße die Schlappen aus der Küche und verschwanden mit dem Rest von ihr im Badezimmer. Ich hörte noch das Klappern des Besteckes im Stahltopf, als Paps die Würstchen ins heiße Wasser brachte. Dann war ich auch schon wieder eingeschlafen.
     
    Als ich aufwachte, lag mein einbetonierter, bemalter Fuß auf dem Beistelltisch und das Kissen war auf den Boden gefallen. Mein Nacken fühlte sich wie gehärtetes Leder an und ein Verspannungsschmerz zog sich bis über beide Schulterblätter. Ich stand auf, ging in die Küche und sah um die Ecke. Mutti saß auf ihrem Lieblingsplatz. Aufgeplatzte Würstchen trieben auf dem blubbernd kochenden Wasser umher. Ich lugte in den Kühlschrank und riss mir ein kaltes Würstchen unter den Nagel.
    »Wo ist Paps?«, fragte ich Mutti.
    Sie machte einen Fingerzeig in Richtung Haustür und ich schlenderte an ihr vorbei.
    »Was ist mit deinem Fuß?«, erkundigte sie sich und grabbelte an einer HB-Schachtel, die aufgeklappt vor ihr auf dem Tisch lag. Einige Zigaretten lugten daraus hervor.
    »Hingefallen«, sagte ich. Die Aussage reichte ihr.
    Draußen herrschte Evinger Idylle. Vögel zwitscherten im Chor, eine dicke rot gestreifte Katze trabte über den Rasen und pinkelte am Beetrand auf eine Rasenparzelle, die besonders dicht mit Gänseblümchen bewachsen war. Mein Vater stand am Gartentor und unterhielt sich mit Che Guevara. Sofort hechtete ich die Treppe hinunter und kam mit rotem Gesicht zwischen den beiden zum Stehen.
    »Ist das Auto in eine Teergrube gefallen?«, fragte mein Vater sofort.
    Gregor klemmte seine Wuschelhaare hinter die Ohren und die Tätowierung blitzte hervor. Ich gab Paps einen Hieb in die Seite und er stierte mich überrascht an. Er hasste Nazis mehr als alles andere und ich wollte ihm nicht in Aussicht stellen, dass seine Tochter sich mit derartigem Abschaum abgab.
    »Deine Würstchen kochen über!«
    »Mensch!« Ohne sich umzusehen, hastete er zurück ins Haus. Ich zwängte mich durch die schmale Öffnung des Gartentores und streifte Gregor an der Schulter. Sein Mund war zu einem einzigen Strich geworden und seine herabgezogenen Augenbrauen warfen einen ungesunden Schatten auf seine Augen. Zwischen den Brauen bildete sich eine wulstige Falte und es war keine Kunst, zu erkennen, dass der Strich, der Schatten und die Falte ausschließlich mir galten. Entsprechend wortkarg holte ich daher meine Tasche aus dem Twingo und stellte

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