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Teranesia

Titel: Teranesia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Blick zu einem neutralen Punkt hinter seiner Schulter, sodass er plötzlich gar nicht mehr sicher war, wirklich gesehen zu haben, was er gesehen zu haben glaubte.
    »Ich dachte, Sie sollten erfahren, dass Ihre Erpressung die ersten Früchte getragen hat.« Sie reichte ihm ihr Notepad. Er warf einen Blick auf das Banner am oberen Rand der Seite, dann hockte er sich im Schneidersitz auf seinen Schlafsack und las sich den ganzen Text durch.
    Ein Modelling-Team in São Paulo hatte die Sequenzdaten der zwei Expeditionen untersucht und ein neuartiges Gen identifiziert, das allen modifizierten Organismen gemeinsam war. Sie hatten Grant eine Kopie ihrer Resultate geschickt und sie gleichzeitig zur Beurteilung an ein Netzine weitergeleitet. Vorläufige Modelle des Proteins, das in diesem Gen codiert war, deuteten darauf hin, dass es Bindungen mit DNS eingehen konnte.
    »Glauben Sie, dass es das ist?«, fragte Prabir. »Ihre geheimnisvolle Gen-Reparatur-und- Reaktivierungsmaschine?«
    »Vielleicht.« Grant wirkte zufrieden, aber sie war noch weit davon entfernt zu triumphieren. »Ein Teil ihrer Ergebnisse ergibt Sinn: Dieses Gen verfügt über einen Promotor, der bewirkt, dass es bei der Meiose, der Keimzellenbildung, eingeschaltet wird, was erklärt, warum kein Mutagen nötig ist, um es in diesen Organismen zu aktivieren. Aber in den originalen Genomen gibt es keinen Hinweis auf die Existenz ähnlicher Gene, ganz zu schweigen von solchen, die nur dann eingeschaltet würden, wenn sie zur Reparatur von Mutationen gebraucht werden.«
    Prabir dachte darüber nach. »Haben wir es hier vielleicht mit einer modifizierten Version des ursprünglichen Gens zu tun? Als es hyperaktiv wurde, hat es nicht nur ältere Versionen anderer Gene ersetzt, sondern auch sich selbst durch eine nicht wiederzuerkennende Version ausgetauscht.«
    Grant lachte, wenn auch zähneknirschend. »Das ist möglich. Und es würde die Sache sehr kompliziert machen. Diese Modelling-Leute sind vielleicht in der Lage, die Funktion des gegenwärtigen Proteins zu bestimmen, aber ich würde nicht darauf bauen, dass sie sich bis zur Struktur eines unbekannten Proteins zurückarbeiten könnten, das seine damalige Sequenz zur jetzigen modifiziert hat. Was wir unbedingt benötigen, wäre DNS aus zwei aufeinander folgenden Generationen desselben Organismus, um sie vergleichen zu können.« Sie zögerte. »Und nach Möglichkeit DNS von zwei früheren aufeinander folgenden Schmetterlingsgenerationen.«
    »Sie meinen die Proben, die meine Eltern gesammelt haben?«, sagte Prabir. »Sie verfügten leider nicht über Ihr magisches Geliermittel. Und die Kühlung dürfte kaum bis heute störungsfrei gearbeitet haben.«
    Grant schien sich unsicher zu sein, ob sie diesen Punkt weiterverfolgen konnte.
    »Kein Problem«, sagte er. »Es stört mich nicht, wenn wir darüber reden.« Sie waren wegen der Schmetterlinge hierher gekommen; er konnte es sich nicht leisten, jedes Mal dichtzumachen, wenn das Thema zur Sprache kam.
    »Es ist denkbar, dass sie komplette Exemplare so konserviert haben, dass sie unter tropischen Bedingungen überdauern konnten. Vor zwanzig Jahren gab es bereits Methoden, die Schutz vor Bakterien boten, ohne die DNS zu schädigen. Sie sagten, Ihre Eltern hätten die Schmetterlinge in Gefangenschaft gezüchtet. Ein oder zwei gut dokumentierte Exemplare könnten uns eine Menge verraten.«
    »Ihre Zuversicht in allen Ehren, aber Sie sollten sich keine zu großen Hoffnungen machen. Nachdem die neue Vegetation die alten Wege überwuchert hat, bin ich mir nicht einmal sicher, ob ich den Kampung auf Anhieb wiederfinde. Und wenn, weiß niemand, in welchem Zustand die Gebäude sind.«
    Grant nickte. »Ja. Es war nur ein Gedanke. Morgen gehen wir an Land, dann schauen wir einfach, was wir finden.« Sie stand auf. »Und jetzt sollten wir unbedingt etwas schlafen.«
    *
    Prabir wachte erschlagen in einer neuen Tanimbar-Dämmerung auf. Als er die Augen öffnete, las er eine Botschaft im Sonnenlicht. Seine Eltern waren tot. Jeder, der noch lebte, würde ihnen nachfolgen. Die Welt, die er einst als fest und sicher betrachtet hatte – ein gigantisches, wunderschönes Labyrinth, das er ausgiebig ohne Risiko und ohne Strafe erkunden konnte –, diese Welt hatte sich als steile Klippe erwiesen, an die er sich noch eine Weile klammern konnte, bis er irgendwann abstürzte.
    Er stand vom Deck auf, stellte sich an die Reling und blickte hinaus. Er hatte genug von den Schwingungen des

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