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Teranesia

Titel: Teranesia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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– im Krankenhaus von Darwin, als sie in den Wehen lag.
    Sein Vater drehte ein wenig den Kopf, dann gelang es ihm, die Schultern ein paar Zentimeter anzuheben, indem er die Wirbelsäule streckte. Seine Mutter nutzte diese Bewegung sofort aus, beugte die Arme, drückte die Schultern nach hinten und stemmte sich stärker gegen die Leiter. Während die Arme so weit wie möglich ausgestreckt waren, hatte sie das Gewicht ihres eigenen Oberkörpers behindert, doch nun konnten die Muskeln ihrer Arme und ihres Rückens ihre Wirkung entfalten. Prabir sah begeistert und erstaunt zu, wie sie seinen Vater hochzog, die Arme um seinen Rücken schlang, bis er aufrecht saß.
    Sie ruhte sich einen Moment aus, um zu Atem zu kommen und ihren gequetschten Fuß in eine neue Position zu bringen. Prabir bemerkte, dass seine Hände zitterten; er bemühte sich darum, sie zu beruhigen, um sich darauf vorzubereiten, die Leiter wie eine Trage zu handhaben.
    Rajendra hatte immer noch die Augen geschlossen, aber er lächelte, während er die Arme um Radhas Hüften geschlungen hatte. Sie packte ihn fester, verschränkte die Hände in seinem Rücken und wuchtete ihn hoch.
    Eine Welle aus Luft warf Prabir rückwärts ins Gras, dann rieselte ein sanfter Regen aus Sand auf ihn herab. Er öffnete den Mund und versuchte zu sprechen, aber in seinen Ohren pfiff es so laut, dass er nicht wusste, ob irgendein Laut über seine Lippen kam.
    Als er sich das Gesicht mit einem Arm sauber wischte, schnitt ihm etwas, das unter dem Sand war, in den Unterarm, dann setzten furchtbare Schmerzen in seinem Gesicht ein. Als er die Augen zu öffnen versuchte, fühlte es sich an, als würden seine Lider eine Messerspitze berühren.
    Er schrie: »Baba! Baba! Baba!«
    Er spürte die Resonanz der Luft in seiner Kehle, also schrie er wirklich mit voller Lautstärke. Sein Vater würde ihn hören, alles andere spielte jetzt keine Rolle. Sein Vater würde ihn hören und zu ihm kommen.

4
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    »Wir werden eine Reise machen, Maddy! Nach Süden, nach Süden! Zu den Tanimbar-Inseln!« Während Prabir zu ihr sprach, zog er sie aus und warf die schmutzigen Sachen auf die Matratze ihres Bettchens. Er glaubte nicht, dass seine Mutter mit ihm schimpfen würde, wenn er sie ungewaschen dort liegen ließ; bei dieser ganzen Aktion ging es letztlich nur darum zu entscheiden, was wichtig und was unwichtig war. Deshalb hatte er seine Zeit nicht damit vergeudet, die ›Leichen‹ zu begraben, die seine Eltern im Garten hinterlassen hatten. Wenn ihnen wirklich etwas zustoßen sollte, dann würden sie von ihm erwarten, dass er sich zuerst um Madhusree kümmerte, statt viel Aufhebens um ihre bedeutungslosen Überreste zu machen.
    Er hoffte, dass sein Aussehen nicht zu erschreckend wirkte. Er hatte den Schmutz abgewaschen, es jedoch aufgegeben, sich das Metall aus der Haut zupfen zu wollen. Stattdessen hatte er das Gesicht und die Brust mit Betadine überschüttet, in der Hoffnung, dadurch eine Infektion zu verhindern. Natürlich hatten seine Eltern dafür gesorgt, das keiner der Splitter zu tief eingedrungen war; sie mussten die Größe und Lage der Sprengladung genau berechnet haben, damit kein Fragment genügend Energie erhielt, um ihm ernsthaften Schaden zufügen zu können.
    Madhusrees Tränen hatten sich während seiner Abwesenheit offenbar erschöpft. Als sie eine Wunde in Prabirs Gesicht betastete und er ihr wütend auf die Hand schlug, brachte sie nicht mehr zustande als ein leises Wimmern, und selbst das erstarb nach kurzer Zeit. Sie blieb beleidigt und verärgert, aber der Gedanke, auf Reisen zu gehen, schien sie zu faszinieren.
    Er trug sie zur Toilettenhütte, wischte ihren Hintern ab und säuberte sie zusätzlich mit angefeuchtetem Toilettenpapier.
    »Wo ist Ma?«, wollte sie wissen.
    »Das habe ich doch schon gesagt. Im Süden. Auf den Tanimbar-Inseln. Sie wartet dort auf uns, zusammen mit Baba.«
    Madhusree warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Hat sie nicht!«
    »Was hat sie nicht? Die Insel verlassen. Aber wo ist sie dann, mein kleiner Klugscheißer?«
    Madhusree öffnete den Mund, um zu antworten, aber da sie die Stimme ihrer Mutter nicht hörte, wusste sie nicht, was sie darauf erwidern sollte.
    »Ich weiß«, sagte Prabir tröstend, »dass es ziemlich grob von ihnen war, sich davonzuschleichen, ohne sich von dir zu verabschieden, aber es ging nicht anders. Sie wollten sehen, ob ich mich allein um dich kümmern kann. Wenn ich es gut mache, darf ich bleiben. Wenn nicht, muss

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