Teranesia
in den Kampung und machte sich an den Motor. Nachdem sie ein Drittel des Weges bis zum Strand zurückgelegt hatten, setzte sie sich auf den Boden und weigerte sich, auch nur einen Schritt weiterzugehen. Prabir kniete sich neben sie und brachte sie dazu, ihre Arme um seinen Hals zu legen und mit den Beinen seinen Rücken zu umklammern. Normalerweise schob er seine Arme unter ihre Beine, wenn er sie auf diese Weise trug, um es ihr etwas leichter zu machen, doch der Motor erlaubte es nicht. Als ihre Beine müde wurden, hing sie fast nur noch mit den Armen an ihm. Obwohl Prabir sich nach vorn beugte, um einen Teil ihres Gewichts auf seinen Rücken zu verlagern, weinte sie vor Erschöpfung, als sie endlich den Strand erreicht hatten.
Für einen kurzen Augenblick überlegte er, ob er sie hier zurücklassen sollte. Was sollte ihr schon zustoßen, wenn sie unter einer Palme schlief? Dann nahm er sie doch in die Arme und trottete zum Kampung zurück. Er schaffte es, sich drei Taschen mit Kleidung und Nahrung um den Hals und über die Schultern zu hängen, womit er die Arme frei hatte.
Runter zum Strand, zurück zum Kampung. Jetzt blieben noch jeweils zwei Kanister mit Treibstoff und mit Wasser – von denen jeder etwa zehn Kilo wog. Er hatte sich etwas vorgemacht: Selbst ohne Madhusree wäre es ihm niemals gelungen, alles in einem Schub wegzuschaffen. Also hielt er sie mit einem Arm und drückte sie an seine Seite, ähnlich wie es seine Mutter tat, und trug die Kanister einzeln zum Strand hinunter.
Als er schließlich den letzten Kanister neben dem Boot in den Sand fallen ließ, war es fast drei Uhr. Prabir zerrte sein Notepad aus einer der Taschen. Es war voll aufgeladen, was so viel wie acht Stunden Normalbetrieb bedeutete, aber die Batterie leerte sich dreimal schneller, wenn der Bildschirm künstlich beleuchtet werden musste. Doch selbst wenn sie in der Dunkelheit auf dem Meer fuhren, war es nicht nötig, dass die Seekarte ständig sichtbar blieb.
Madhusrees Laune war immer schlechter geworden; sie war noch nie zuvor wegen einer Fahrt aufs Meer so häufig hin und her gezerrt worden. Sie saß am Rand des Strandes im Schatten und rief alle ein oder zwei Minuten nach Ma. Prabir antwortete beruhigend, aber genauso automatisch: »Wir fahren zu Ma.«
Die GPS-Software des Notepads enthielt eine eindrucksvolle Weltkarte, aber Teranesia war darauf nicht verzeichnet. Wenn man nach der Software ging, befanden sie sich bereits mitten in der Banda-See. Die Tanimbar-Inseln waren aufgeführt, aber die kleineren Inseln der Gruppe waren nur Punkte aus zwei oder drei Pixeln, und die Küsten der größeren waren sehr grob gerastert, als wären sie auf der Grundlage eines Satellitenbildes oder einer billigen gedruckten Karte automatisch erstellt worden. Wenn Prabir Zugang zum Netz gehabt hätte, hätte er stattdessen die offizielle Navigationskarte der Region verwenden können, in der sogar die Wassertiefen und Strömungen verzeichnet waren. Er hatte sie sich mindestens ein Dutzendmal angesehen, aber niemals daran gedacht, sie in sein Notepad zu kopieren. Nun war es zu spät, über verpasste Gelegenheiten nachzugrübeln. Wenigstens hatte Jakarta es nicht geschafft, die GPS-Signale zu blockieren; wenn er sich nur auf sein Gefühl, die Sonne und die Sterne hätte verlassen können, hätte er, es vielleicht niemals gewagt, von der Insel aufzubrechen.
Er montierte den Motor an den Rumpf, füllte den Treibstofftank auf und zerrte dann das leere Boot ins seichte Wasser. Plötzlich kam ihm ein Bild in den Sinn, aus einem Video, das seine Eltern in Kalkutta gesehen hatten. Er hatte die meiste Zeit in den Armen seiner Mutter geschlafen, war aber kurz vor dem Ende aufgewacht. An einem einsamen Strand versuchte ein Mann, ein Holzboot ins Meer zu ziehen, um vor irgendeinem Krieg oder einer Revolution zu fliehen. Aber das Boot war zu groß und zu schwer gewesen – ganz gleich, wie sehr er sich anstrengte, es wollte sich nicht von der Stelle rühren. Prabir erschauderte bei dieser Erinnerung, aber zumindest wusste er, dass er nicht das Schicksal dieses Mannes teilen würde. Was auch immer geschehen mochte, stranden würden sie nicht.
Nun lud er alles ins Boot. Es versank erschreckend tief im Wasser, aber seine Eltern mussten gemeinsam ein höheres Gewicht auf die Waage gebracht haben als diese Vorräte, und das Boot hatte schon viele Male die ganze Familie sicher zur Fähre gebracht. Er holte Madhusree. Sie wehrte sich nicht und beklagte sich
Weitere Kostenlose Bücher