Terra Madre
ausschließlich traditionelles Saatgut und bebaut sein Land biologisch. Die Mitglieder verkaufen ihre Erzeugnisse auch auf dem örtlichen Markt. So konnten sie ihre Tätigkeiten und Einkommensquellen auf ein breites Fundament stellen.
Auch auf die »reichen« Länder möchte ich zu sprechen kommen. In den Vereinigten Staaten von Amerika zum Beispiel bestehen sehr interessante Bündnisse wie etwa jenes der Biobauern von Concord Commons. Der biodynamisch arbeitende Landwirt John Peterson und eine Gruppe Anwohner aus der Gegend von Chicago haben hier 1998 das Angelic Organics Learning Center gegründet. Die Angelic Organics Farm hat das Ziel, Menschen dabei zu unterstützen, wieder eine Beziehung zum Boden, zu den Bauern und zur eigenen Gemeinschaft aufzubauen. Die Farm gehört zum Programm Community Supported Agriculture und ist eine der größten des Landes. Mehr als 1.400 Familien kommen aus dem nördlichen Illinois und dem südlichen Wisconsin hierher, um landwirtschaftliche Produkte einzukaufen.
Im Jahr 2005 entstand aus einem Erziehungsprogramm in Zusammenarbeit mit dem Concord College hier ein Projekt namens Hands Working Together Garden, in dessen Mittelpunkt ein community garden , also ein Gemeinschaftsgarten in Rockford (Illinois) steht. Im dazugehörigen Concord Commons Youth Garden wirken Eltern und Kinder aus dem Stadtviertel als freiwillige Helfer mit. Das Programm bietet fachliche Unterstützung für biologisches Gärtnern und macht sich um die Erziehung der Jugend verdient. Einmal pro Woche treffen die Kinder den Koordinator der freiwilligen Helfer und seine Mitarbeiter, um die im Garten anfallenden Arbeiten zu planen. Sie übernehmen selbst das Säen, Düngen, Gießen und Ernten der Produkte. Diese werden dann an die Menschen des Viertels verteilt oder für die Zubereitung von Abendessen mit den Arbeitern und ihren Familien verwendet. Ein Teil wird auf dem örtlichen Bauernmarkt verkauft.
Ein schönes Beispiel eines solchen farmers’ market ist derjenige von Healdsburg im Sonoma County in Kalifornien. Er bietet den örtlichen Kleinbauern die Gelegenheit zum direkten Kontakt mit den Kunden. Das Sonoma County wird vom Weinbau dominiert, aber der Markt mit seiner großen Vielfalt hochklassiger Produkte zeugt vom Reichtum der Möglichkeiten, die die Erde den Bauern hier bietet. Beim Gemüseanbau wird auf die Verbesserung der Bodenqualität und die Verschönerung der Umgebung geachtet, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen, ohne mehr als nur ein Minimum fremder Hilfsmittel einzusetzen. Zusätzlich zu den Produkten ihrer eigenen Felder ernten die Bauern auch vier Feigenarten von alten, über verschiedene Ortschaften verstreuten Bäumen in Trockenkultur. Diese Bäume sind naturbelassenen und werden lediglich beschnitten. Ihre Früchte sind in der örtlichen Gastronomie und bei der Kundschaft auf dem Markt sehr gefragt.
Am Ende dieses kurzen Überblicks, der mich aus Platzgründen dazu zwingt, ganze Kontinente wie Australien oder riesige Gebiete wie Südasien, Japan oder Mittelamerika wegzulassen, soll ein letztes Beispiel aus Europa uns etwas über Produktion und Erziehung erzählen. Parainen ist eine zweisprachige Gegend in Südfinnland, in der Schwedisch zwar die Hauptsprache, die Bevölkerung aber noch tief mit ihren finnischen Wurzeln und besonders mit ihrem traditionellen Brot verbunden ist. Das Brot, das auf Schwedisch leipä heißt, zählt zu den Säulen der finnischen Ernährung.
Die Bäckerei der Familie Axo hält diese Tradition auch heute noch am Leben. Ihre Spezialitäten sind das typische Schwarzbrot sowie pullaa , ein leichtes Brot mit süßlicher Note, das aus mit Kardamom und Zimt gewürztem Weizen gebacken und mit Mandeln oder Zucker verziert wird. Die Bäckerei hat das Projekt »Grains for school« unterstützt, das Schulmensen mit gesunden und wohlschmeckenden Produkten versorgen soll, damit die Kinder mehr Getreide essen. Neben den Kindern selbst bezieht das Projekt mit seiner klaren erzieherischen Absicht auch Eltern, das Schulpersonal, die Lehrer und die lokalen Behörden mit ein.
Land oder Stadt?
Lebensmittelbündnisse sind, wie wir gesehen haben, viel mehr als nur Zusammenschlüsse einfacher Bauern oder kleiner Produzenten aus entlegenen ländlichen Gebieten. Zwar gehören diese Gruppen sicher mit vollem Recht zum Netzwerk, denn sie erinnern uns daran, dass andere Lebensweisen möglich sind und dass die traditionellen Methoden und das überlieferte Wissen nicht leichthin
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