Terra Madre
neu gestalten.
Das Thema der Expo 2015 ist »Feeding the planet, energy for life« (Nahrung für den Planeten, Energie für das Leben). Mailand soll zu einem nachahmenswerten Modell werden. Die Stadt soll nicht nur Gastgeber der Veranstaltung sein, sondern sich mit Blick auf diese wichtigen Themen auch selbst wandeln. Das, was immer nur gepredigt wird, soll hier in die Praxis umgesetzt werden – nicht mehr und nicht weniger.
Mailand besitzt einen unglaublichen Schatz: den Parco Agricolo Sud (Landwirtschaftspark Süd), ein Areal von 47.000 Hektar. Dort wird überwiegend intensive und konventionelle Landwirtschaft betrieben – mal abgesehen von einem vernachlässigbaren Anteil (drei bis vier Prozent) an Mischkulturen und umweltverträglichen Systemen. Die Landwirtschaft dort dient nicht (oder praktisch nicht) der Stadt und ihren Bürgern. Die Mailänder, die heute Qualitätserzeugnisse suchen, können diese nur außerhalb des städtischen Umfelds auftreiben. Oft werden sie nur bei Erzeugern aus anderen Regionen fündig, die von Haustür zu Haustür fahren und ihre Produkte anbieten. Darüber hinaus ist das landwirtschaftliche Gebiet rund um die Stadt der ständigen Gefahr ausgesetzt, weiter zubetoniert zu werden. Die Landwirtschaft im Parco Agricolo Sud muss sich daher, aus all den genannten Gründen, im Interesse von Nachhaltigkeit und Innovation wandeln und dabei rentabel werden. Während ich dies schreibe, läuft das Projekt gerade an. Der Weg, wie die Stadt-Land-Beziehung neu definiert werden sollte, scheint mir klar vorgezeichnet. Geplant sind folgende Schritte: die vorhandenen guten landwirtschaftlichen Methoden bestimmen und verbessern; die direkten Beziehungen zwischen Erzeugern und Stadtbewohnern erneuern und ausbauen; das Verhältnis zwischen Stadt und Land durch Aktionen auf verschiedenen Ebenen stärken; auf Dauer angelegte erzieherische Maßnahmen ergreifen; das Wirkungsfeld mithilfe eines ethnographischen Modells detailliert und konkret analysieren; die Nahrungsmittelkette über kollektiv geführte Restaurants, über Gaststätten, Kleinhandel, Krankenhäuser und Bars wieder herstellen; die Erzeugung erneuerbarer Energie fördern; die Schaffung von Finanzierungsmöglichkeiten (für Landkauf, Umnutzung und Wiedereinrichtung vorhandener Strukturen und dergleichen) erleichtern, um den Einstieg junger Leute in die Landwirtschaft zu fördern. So wie der Eiffelturm das Wahrzeichen der Weltausstellung in Paris war, sollte der Park als starkes Symbol der Expo 2015 genutzt und in diesem Sinn auch dem Publikum präsentiert werden.
Das Projekt ist ambitioniert, hat jedoch klare Ansätze in allen oben erwähnten Punkten, nicht zuletzt durch die Schaffung eines wöchentlichen Bauernmarkts. Die Lebensmittelbündnisse sind eine ideale Werkstätte, wenn es um eine Neudefinition der Beziehung zwischen Stadt und Land geht. Verallgemeinerungen sind unmöglich – jeder Ort besitzt seine Eigenheiten und speziellen Bedürfnisse. So wird gerade durch die Verschiedenheit der Bündnisse der Boden für neue Verfahren und Gewohnheiten geebnet. Zu lange haben wir geglaubt, es könne eine Landwirtschaft ohne Beteiligung der Stadtbewohner geben und die Städte – bis hin zu den kleinsten – könnten ihre gesamte Lebensmittelnachfrage mithilfe der Industrie und der großen Vertriebsketten decken. Wir mussten auf eigene Kosten und durch schwere Schäden an den Ökosystemen erfahren, dass das Modell der Massenproduktion und der Monokulturen im großen Stil die Ernährungsprobleme nicht löst.
Von einer nostalgischen, anachronistischen Sicht auf den Bauern als Lebensmittelerzeuger müssen wir uns jedoch verabschieden und ihm stattdessen seine Würde zurückgeben. Er muss aus der Nische der Rückständigkeit und wirtschaftlichen Marginalisierung, in die man ihn gedrängt hat, herausgeholt werden. Das kann überall auf der Welt geschehen, gerade mithilfe der Allianz zwischen Erzeugern und Koproduzenten. Gefordert ist eine gemeinschaftliche Zusammenarbeit, innerhalb derer die Würde der Lebensmittel, die Bedeutung der zwischenmenschlichen Beziehungen und die Weitergabe von Wissen wieder in den Vordergrund rücken.
Die Pfarrgemeinden
Wir leben in einer Zeit des Übergangs. Die aktuellen Krisen erfordern tiefgehende Veränderungen. Ein Paradigmenwechsel in Politik, Kultur und Wirtschaft ist nötig. Unsere Zeit ähnelt in gewisser Weise der Epoche des Niedergangs des Römischen Reichs. Damals verlor eine Macht, die den Mittelmeerraum
Weitere Kostenlose Bücher