Terra Madre
bedrohen die Existenz ganzer Tierarten, von denen wir uns ernähren.
Anstatt den lokalen Ökonomien zu schaden, indem sie ihnen ihr Entwicklungsmodell aufdrängen, sollten die internationalen Organisationen sich lieber um die Lebensmittelbündnisse und ihre Art zu produzieren kümmern. Statt sie zu belehren, wie man die Produktion steigert und den Bedürfnissen und Launen des globalen freien Marktes hinterherläuft, wäre es viel sinnvoller, die Bündnisse daraufhin zu überwachen, ob sie wirklich im Interesse ihrer Ernährungssouveränität handeln und nicht wie »kleine Besserwisser« vor Ort die Bemühungen unterlaufen und nicht-nachhaltige Praktiken einführen. Die Übernahme einer solchen Rolle würde den Organisationen mit Sicherheit eine Menge Autorität und Prestige einbringen und wäre dank der bedeutenden wirtschaftlichen Mittel, die ihnen zur Verfügung stehen, auch nicht schwierig zu realisieren. Sicher würden viele Bündnisse gern mit den Organisationen zusammenarbeiten, schließlich liegt es in ihrem ureigensten Interesse, ihr Land zu schützen.
Aber auch auf lokaler Ebene ist es durchaus nicht selbstverständlich, dass die Nachhaltigkeit der Prozesse und die Integrität der Ökosysteme respektiert werden. Leider gewinnt die Versuchung, sich zu bereichern, auch im Kleinen oft die Oberhand, man trifft auch dort auf Menschen ohne jeden Skrupel, die nur möglichst viel Geld machen wollen. Sollte die Überwachung der Bündnisse nicht ausreichend sein, müsste man ein Kontrollorgan einrichten, eine Art UNO der Lebensmittel, die immer dann eingreifen würde, wenn die Ernährungssouveränität bedroht ist.
Ein großer Teil der Verantwortung für das Vordringen der industriellen Landwirtschaft wird oft den Bauern selbst aufgebürdet – so, als ob sie sich nicht genug gewehrt hätten. Das klassische – und wahrscheinlich zutreffende – Beispiel ist das folgende: Einem Bauern wird zum ersten Mal empfohlen, Kunstdünger und Pestizide auf seinen Feldern auszubringen. Er erzielt gute Ergebnisse und erhöht deshalb im darauffolgenden Jahr die Dosis – was seinen Boden schädigt. Er meint, »wenn eine gewisse Menge dem Boden gutgetan und mir mehr Ertrag gebracht hat, dann nehme ich dieses Jahr das Dreifache!« Keiner der Verkäufer oder Agronomen, die auf dem Land diese Produkte anpreisen, hat die Bauern je vor Überdosierung gewarnt, keiner hat ihnen jemals die Wirkung auf lange Sicht erklärt. Die Bauern wurden getäuscht und sind so unwissentlich und ohne es zu wollen an der Bodenzerstörung mitschuldig geworden.
Die Zeit ist reif. Wir müssen aufhören, den Bauern Ratschläge zu geben, wie sie ihre Arbeit verrichten sollen. Wir müssen uns diesem System verweigern und das Gespräch dort wieder aufnehmen, wo ihre Väter es beendet haben.
Die Subsistenzwirtschaft
In früheren Kulturen war die Landwirtschaft eine reine Subsistenzwirtschaft, Handel kam erst später auf. Heute überlebt in vielen Gegenden, die als »unterentwickelt« gelten, noch immer eine Minimalform der Landwirtschaft, deren Erzeugnisse fast ausschließlich der Selbstversorgung dienen.
Für die Befürworter des freien Marktes und des Konsumismus klingt daher die Forderung nach dem Recht, die eigenen Lebensmittel selbst zu produzieren, wie ein Rückfall in die Vergangenheit, eine Rückkehr zu Elend und Armut. Sie sehen in der Subsistenzwirtschaft etwas »Unterentwickeltes«. Aber auch einen Garten im Hof oder auf einem Dach anzulegen ist eine Form von Subsistenzwirtschaft. Viele Bauern, die für einen Bauernmarkt oder andere örtliche Märkte produzieren, stillen mit Sicherheit zuerst die Bedürfnisse der eigenen Familie, bevor sie ihre Erzeugnisse verkaufen. Selbst wer die eigene Produktion verschiedenster Lebensmittel gegen Monokulturen oder intensive Viehhaltung eingetauscht hat, ist wahrscheinlich nicht von allen Formen der Subsistenzwirtschaft ausgeschlossen, denn auch er besitzt wohl zumindest einen Gemüsegarten.
Gerade ein Garten, zu welchem Zweck auch immer – Selbstversorgung, Schulgarten, generationenübergreifender Garten – scheint im Augenblick der bestmögliche Weg zu sein, um überall auf der Welt, in allen Breitengraden und in allen möglichen Zusammenhängen, wieder ein Minimum an Subsistenzwirtschaft aufzubauen. Das Netzwerk von Terra Madre verwirklicht mit Unterstützung von Slow Food und seiner Stiftung für Biodiversität weltweit viele Projekte dieser Art.
An der Elfenbeinküste wurde zum Beispiel die Initiative
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