Terra Madre
reiche Früchte trägt. Dabei werden keine Rechte verletzt, am wenigsten die der Natur. In diesem System werden die Lebensmittel in erster Linie zum Essen und erst in zweiter Linie für den Verkauf produziert.
Vielfalt
Wie bereits erwähnt, ist Vielfalt die Grundlage von Terra Madre. Sie ist eines der Leitprinzipien, die das Netzwerk lebendig und kreativ machen und es ihm erlauben, Menschen zu mobilisieren und die unterschiedlichen Identitäten aller Beteiligten zu respektieren.
Die Natur selbst lehrt uns, dass ein System mit einem hohen Grad an Biodiversität größere Überlebens- und Entwicklungschancen hat. Es floriert, ist reich an Ressourcen und gegen Widrigkeiten aller Art besser gewappnet.
Gleiches gilt für die Menschen und ihre kulturelle Vielfalt, die sich durch Anpassung an die natürliche Umgebung über Jahrhunderte herausgebildet hat. Identität definiert sich vor allem über Unterschiede. Ohne Austausch, ohne Vergleich würde sie ersticken und nur noch als Ausstellungsstück oder Forschungsobjekt für das ethnographische Museum taugen.
Die Konsumgesellschaft tendiert von ihrer Struktur her dazu, Unterschiede einzuebnen. Da sie selbst überleben möchte, ist sie auf Verbraucher angewiesen, die das gleiche Bedürfnis nach länderübergreifend in Massenproduktion hergestellten Dingen haben – oder sich einreden lassen, dieses Bedürfnis zu haben. Im Rahmen einer solchen Standardisierung ist es jedoch unmöglich, eine eigene Ernährungssouveränität einzufordern, die auf den ökologischen und kulturellen Eigenheiten der jeweiligen Territorien gründet.
Ohne Berücksichtigung der Vielfalt und der Unterschiede kann es keine Ernährungssouveränität geben.
Synergie
Der Begriff Synergie wird oft missbraucht. Er gehört zum Wortschatz des Marketings und bezeichnet allgemein ein Zusammenwirken von Kräften, eine Art Verschmelzung der Energien zweier unterschiedlicher Einheiten.
Lebensmittelbündnisse, die ihre eigene Ernährungssouveränität einfordern, profitieren genauso wie die traditionellen oder die indigenen Gemeinschaften von Synergien. Diese bestehen zwischen den einzelnen Mitgliedern des Bündnisses, aber auch zwischen dem Bündnis und seiner Umgebung oder zwischen dem Bündnis und anderen Bündnissen, die in der Nähe sind oder mit denen man anderweitig in Kontakt steht. Die Energie, die dabei jeweils ausgetauscht wird, wird zur Synergie, einem komplexen, nur schwer zu rationalisierenden System, das vor allem dank der emotionalen Intelligenz jedes Einzelnen funktioniert. Was zählt, ist die richtige Einstellung und der Respekt.
Unter den Mitgliedern eines Bündnisses und zwischen den verschiedenen Bündnissen entstehen Synergien, weil dieselben Werte geteilt werden. Unentgeltlichkeit ist hier nicht verpönt wie in der Marktwirtschaft, wo alles einen Preis hat. Es gibt Formen von Tausch, man hilft sich bei der Arbeit aus, man praktiziert fairen und, wenn man möchte, auch solidarischen Handel. In den Bauerngesellschaften, die schon immer wahre Meister im Verbreiten dieser Werte waren, galt die Heiligkeit der Lebensmittel und der Arbeit als unanfechtbar. Es war daher auch kein Problem, wenn persönliche Interessen zurückgestellt werden mussten.
Auch Synergien mit der Umwelt entstehen, da die natürlichen Ressourcen nicht mehr als nötig ausgebeutet werden. Man respektiert den Rhythmus der Natur, ohne die Zeitspanne und die Funktionsweise der natürlichen Abläufe zu verändern. Vor allem in der Praxis entdeckt man, wie man mit den vorhandenen Möglichkeiten mehr erwirtschaften kann. Auch die Lebensmittel sind Energie, nämlich Sonnenenergie, die sich über die Pflanzen in Nahrung verwandelt. Diese Energie müssen wir gewissenhaft, sparsam und vernünftig nutzen, um sie dann der Erde in einer Art Austausch der Stoffwechsel, dem »Atem des Lebens«, zurückzugeben. Mehr Energie zur Erzeugung von Lebensmitteln zu verbrauchen als die Nahrung ihrerseits uns gibt, ist ein Widersinn, der früher oder später zum Kollaps der Erde führt.
Synergie bedeutet, all diese Prozesse zu harmonisieren, was im Kleinen hervorragend funktioniert. Dort ist man besser in der Lage, die Erfordernisse jedes einzelnen Elements zu berücksichtigen, das am natürlichen Kreislauf dieses komplexen ökologischen und kulturellen Systems beteiligt ist.
Recycling und Wiederverwertung
Die Lebensmittelsysteme der Bündnisse sind aufs Sparen ausgerichtet. Verschwendung gilt als nicht ethisch, denn sie respektiert weder die
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