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Terra Madre

Terra Madre

Titel: Terra Madre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Petrini
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nach dem Mittel, um zum bestmöglichen Preis das zu kaufen, was man konsumiert, und um möglichst vorteilhaft das abzusetzen, was zum Verkauf angeboten wird«.
    Danach wäre es normal und sogar gerecht, dass ein Händler keine humanitären oder solidarischen Ziele verfolgt. Brillat-Savarin sagt aber auch, dass der Handel »zur Gastronomie gehört«. Wir sind daher der Meinung, dass im Rahmen einer neuen Gastronomie auch der Handel einem ethischen Verhalten verpflichtet ist oder zumindest nachhaltig im Interesse der Gemeinschaft, der er angehört, agieren muss. Wie schön wäre die Vorstellung von einer »weltweiten Gesellschaft ehrlicher Händler«, die zugunsten gemeinschaftlicher Projekte auf einen kleinen Teil ihres Profits verzichten und durch ihre Großzügigkeit einer Welt dienen würden, die allen Völkern die Ernährungssouveränität ermöglicht und in der die lokale Ökonomie an Bedeutung gewinnt.
    Einem lokalen Händler, der sich als Teil eines Bündnisses fühlt, fällt dies natürlich leichter, weil ihm der Ort, an dem er lebt, sein soziales Gefüge und die gemeinsame Identität mehr am Herzen liegen. Internationale Händler kümmern diese Aspekte hingegen nicht, denn sie leben nicht dort, wo sie ihre Geschäfte tätigen. Schon beim Thema Nachhaltigkeit habe ich für eine internationale Autorität plädiert, die dem nicht-nachhaltigen, unfairen Handel, der die Ernährungssouveränität der Völker unterminiert, entgegenwirken sollte.
    Unter den genannten Gesichtspunkten wiegt es daher besonders schwer, dass gerade Institutionen wie die Welthandelsorganisation WTO zu den Hauptverantwortlichen jener multilateralen Übereinkünfte gehören, die die reicheren Länder gegenüber den ärmeren begünstigen. Diese Praktiken müssen meiner Meinung nach als illegal, als Verletzung der Menschenrechte verurteilt werden.
    Patentierung, Monopolisierung und Privatisierung des Saatguts
    Die Ernährungssouveränität basiert unter anderem auf der Freiheit, die auf dem eigenen Land vorhandenen natürlichen Ressourcen zu nutzen sowie die Techniken und Technologien anzuwenden, die unter den örtlichen Bedingungen am besten geeignet sind.
    Es ist mit dem Prinzip der Ernährungssouveränität im höchsten Maße unvereinbar, Forschern und ihren Geldgebern die Patentierung von Lebensformen – und damit die Errichtung von Monopolen – zu erlauben. Die nationalen und internationalen Gesetze, die solche Praktiken zulassen, verletzen die Würde und Heiligkeit aller Lebensformen, die Biodiversität sowie das legitime Erbe der indigenen Völker und der Bauern der Welt. Würde und Heiligkeit müssen für alle Lebewesen, für Pflanzen, Tiere und Menschen gelten.
    Die Patentierung von Lebensformen gehört zum unseligen Erbe von Industrialismus und mechanistischem Weltbild und gründet auf der Überzeugung, wir könnten über die Natur frei verfügen, als sei sie eine Art Maschine. Abgesehen von den ethischen Zusammenhängen (wenn ich eine Entdeckung mache, bedeutet das noch lange nicht, dass dieses Stück Natur mir gehört, ich habe nur verstanden, wie es funktioniert, habe es aber nicht erfunden) ist diese Logik auch völlig unvereinbar mit einer freien und ehrlichen Landwirtschaft, die vollständig, also ohne Einflussnahme durch Dritte, den Lebensmittelbündnissen gehören muss.
    Patente auf Lebensformen entziehen beispielsweise indigenen Gemeinschaften die Möglichkeit, die aktiven Prinzipien ihrer Heilpflanzen zu nutzen (besonders in Lateinamerika gibt es in diesem Bereich schon zahlreiche juristische Auseinandersetzungen). Die Patentierung ist aber vor allem deshalb problematisch, weil sie die Privatisierung des Saatguts weltweit vorantreibt und der Markt deshalb von wenigen großen Anbietern beherrscht wird.
    In den vergangenen Jahrzehnten wurde Saatgut zum Gegenstand des größten Diebstahls, den die Agro-Lebensmittelindustrie zum Schaden der Menschheit verübt hat. Dank ihrer Fähigkeit, sich selbst zu reproduzieren und zu vermehren, blieben die Samen noch bis vor einiger Zeit von den Grundprinzipien der kapitalistischen Marktgesetze unbehelligt. Saatgut war stets sowohl Produktionsmittel als auch Produkt. Die Forschung und die Entwicklung von Techniken zur Verbesserung des Saatguts waren im Besitz der Gemeinschaften, die durch Tausch, gemeinsame Nutzung und die praktische Arbeit auf dem Feld über Jahrhunderte die besten und anpassungsfähigsten Sorten selektionierten.
    Später, als man auf breiterer Ebene

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