Terra Madre
welche Methoden beim Tauschen, Verkaufen und Verteilen er anwenden möchte.
Die Finanzkrise, die ab Ende 2008 über die Welt hereinbrach und schwerwiegende Folgen in allen Bereichen nach sich zog, offenbarte das wahre Gesicht einer blinden, skrupellosen und spekulativen Finanzwelt. Geld wurde zu einem kaum mehr wahrnehmbaren, zunehmend virtuellen Gebilde, das sich selbst für Leute, die im internationalen Finanzmarkt tätig sind, mit atemberaubender Geschwindigkeit verflüchtigt.
Als Woody Tasch sein Projekt für nachhaltige Investitionen, Slow Money, vorstellte, benutzte er eine sehr anschauliche Formulierung: »Man muss das Geld zur Erde zurückbringen.« [7] Diese treffende Definition bringt hervorragend auf den Punkt, dass Geld wieder zu etwas Konkretem, Fassbarem werden muss. Sie stellt den Bezug zur Erde und damit zur Nachhaltigkeit von Investitionen her, vor allem solchen im Bereich von Landwirtschaft und Lebensmitteln. Aber auch der Hinweis auf das Gemeinschaftliche fehlt nicht. Die Erträge aus den Investitionen, die Gewinnmargen und die Zinsen kommen den beteiligten Bündnissen zugute, bleiben also dort, wo sie erwirtschaftet wurden.
Wenn Finanzgeschäfte die Bündnisse tangieren, dürfen diese Bündnisse keinesfalls von vornherein ausgeschlossen werden. Die Völkergemeinschaften müssen über die Verwaltung des Reichtums, den sie in Harmonie mit der Natur erwirtschaften, frei entscheiden können, ohne dass sich jemand von außen einmischt, ihnen womöglich diesen Reichtum streitig macht oder ihn gar vernichtet, indem er sie »berät« oder ihnen andere wirtschaftliche Modelle mit Gewalt aufdrängt.
Niemand darf die Ökonomien der Lebensmittelbündnisse als marginal oder als »Nischen-Ökonomien« abtun, nur weil sie sich nicht direkt an der internationalen Globalisierung beteiligen. Ihnen fehlt das dafür notwendige Potenzial, sie entwickeln sich überwiegend auf lokaler Ebene. Im Unterschied zur globalisierten Wirtschaft wird bei dieser Art von Ökonomie das Erwirtschaftete geteilt, der Mehrwert kommt dem jeweiligen Gebiet zugute. Dass diese Ökonomie nicht die gleichen Ziele verfolgt wie die Wirtschaft des globalen freien Marktes und keine Profite zum Vorteil derjenigen erwirtschaftet, die auf ihrem Rücken spekulieren wollen, heißt noch lange nicht, dass sie nicht erfolgreich ist. Gerade weil sie außerhalb der Logik der verbrecherischen Finanzwelt steht, hat sie die Kraft, zu einer echten Alternative zum gegenwärtigen Desaster zu werden.
Ohne die Zusicherung, den eigenen ökonomischen Regeln folgen und zum Vorteil der Gemeinschaft wirtschaften zu können, gibt es keine wirtschaftliche Souveränität.
Neue Rechte und teilnehmende Demokratie
Ich habe bisher Ernährungssouveränität und Selbstbestimmung angeführt, beides Rechte der Gemeinschaften und der Individuen. Damit sich aber ein vollständiges Bild ergibt, müssen noch weitere Rechte betrachtet werden.
Da sind erstens die Rechte der Tiere. Hier gibt es bereits eine gewisse Rechtsprechung, auch wenn sie nicht in allen Bereichen wirksam ist, etwa beim Wohlergehen von Tieren in Zuchtbetrieben. Zweitens geht es um die Rechte der Natur – der Flüsse, der Meere, der Wälder, der Biodiversität. Auch die Lebensräume, in denen unsere Nahrungsmittel entstehen und gedeihen, müssen wie die Lebewesen selbst Achtung und Sicherheit erhalten.
Das Recht der Flüsse auf Sauberkeit und schonende Nutzung, das Recht der Wälder, gesund und üppig zu wachsen, das Recht der Meere, vor Verschmutzung und Überfischung geschützt zu werden – all diese Rechte zählen, wenn auch nur indirekt, zu den Menschenrechten, denn ihre Einhaltung kommt den Menschen zugute. Die Natur steht nicht länger für sich allein, sie hat das Recht, in internationalen Gremien und mit einer weltweit anerkannten Gesetzgebung verteidigt zu werden.
Solange es für die Nutzung unserer natürlichen Lebensräume keine Regeln gibt, werden immer diejenigen gewinnen, die denken, sie könnten sie privatisieren und schamlos plündern. Angesichts der gegenwärtigen Umwelt- und Klimasituation und der Vorherrschaft der nicht-nachhaltigen Produktion – deren wichtigste die industrielle Erzeugung von Lebensmitteln ist – muss man die Rechte der Natur überdenken, erweitern und neu definieren und all jene, die diese Rechte nicht achten, streng bestrafen.
Es geht um die Zukunft unseres Planeten, um unsere eigene Zukunft und die der nachfolgenden Generationen. Wir wollen selbst über unser
Weitere Kostenlose Bücher