Terra Madre
schützen.
Im lokalen Umfeld ist der Konsum der Abschluss des Produktionsprozesses und nicht ein von ihm getrennter Akt. Statt zu zerstören, baut er auf seine Weise etwas auf: eine verantwortungsvolle Nutzung der Energie (Lebensmittel sind Energie), den Kampf gegen die Verschwendung (wenn ich in der Nähe einkaufen kann, muss ich keine großen Mengen besorgen) und eine gute Erziehung, die die jahreszeitlichen Abläufe und die Vorzüge einheimischer Produkte gegenüber industrieller Massenware zum Inhalt hat.
In einer lokalen Wirtschaft ist Konsum mit Verantwortung verbunden. Man spürt sofort, ob Ressourcen ausgebeutet werden – oder eben nicht, wie es eigentlich sein sollte.
Koproduzent und Produzent garantieren gemeinsam für die Integrität ihres eigenen Territoriums, denn sie können dessen Früchte nur in dem Maße genießen, wie sie Verantwortung dafür übernehmen.
Neue Gastronomie: die Wissenschaft vom Glück
Die neue Gastronomie stellt die Nahrung in den Mittelpunkt eines wiederbelebten Konzepts des Wohlergehens und eines neuen Humanismus. Ausgehend von einer neuen Landwirtschaft und einer interdisziplinären Wissenschaft, die sämtliche Aspekte der Ernährung des Menschen einschließt, muss die neue Gastronomie die lokale wirtschaftliche Bedeutung der Lebensmittel und alles, was auch nur indirekt mit ihnen in Zusammenhang steht, zwingend mitberücksichtigen.
Nur lokale Ökonomien und Systeme, angefangen bei den eigenen, erlauben es dem neuen Gastronomen, seine Vorstellungen und Entscheidungen durchzusetzen, um sich als Koproduzent einzubringen, zu lernen und durch Reisen Zugang zu einem System von Produkten/Menschen/Territorien zu gewinnen, das jeder versteht und dessen Zukunft gesichert ist.
Diese neue Gastronomie ist eine Lebensphilosophie, in der die Nahrung im Mittelpunkt steht und damit zum Dreh- und Angelpunkt eines erneuerten Bündnisses mit dem Planeten wird, der uns und der Natur um uns herum den Lebensraum gibt.
Schon früher einmal habe ich die Gastronomie als Wissenschaft vom Glück bezeichnet, weil sie das Alte mit dem Neuen, die wissenschaftlichen Theorien mit dem Volksglauben und der Heiligkeit, den Respekt für die anderen mit der Liebe zu sich selbst verbindet. Ihr höchstes Ziel ist es, uns ein gutes Leben im Einklang mit unserer Umgebung führen zu lassen, auf anständige Weise Genuss zu bereiten und uns den Sinn der Welt wieder näherzubringen. Unsere Sinne sind der Schlüssel dazu: Wir sollten sie benutzen, um zu verstehen, zu genießen, auszuwählen, unserem Nächsten zu helfen und die Wirklichkeit um uns herum zu erfassen. Wenn wir aufhören zu genießen, hören wir auf zu wissen.
Das kulinarische, produktive oder landwirtschaftliche Know-how an andere weiterzugeben ist ein Akt des Vertrauens, was voraussetzt, dass man den anderen kennt. Sonst läuft man Gefahr, einen Teil des eigenen Lebens in die Hände von Unbekannten zu legen, die wahrscheinlich mehr ihre eigenen Interessen als die unseren im Sinn haben. Ohne Vertrauensbeziehung ist es schwierig, seine Position und seine Rolle zu finden und in einer gesunden und dauerhaften Beziehung zu seinem privaten Umfeld und zu einer unermesslich großen, aber zusehends dahinsiechenden Erde zu leben.
Wir können diese neue Gastronomie im lokalen Umfeld in die Tat umsetzen, können vor Ort die Dinge und unser Dasein auf der Welt mit Sinn erfüllen. Ohne diese lokale Grundlage büßt vieles von dem, was wir sind und tun, seinen Sinn ein. Und mit dem Geschmack verliert sich auch das Wissen.
Nachhaltigkeit
In einer lokalen Wirtschaft erhält auch die Nachhaltigkeit mehr Gewicht. Vertriebsmethoden, die den Zwischenhandel einschränken und Lebensmittel nur über kürzere Strecken transportieren, ermöglichen eine klare Begrenzung der CO 2 -Emissionen und aller übrigen vom Transport verursachten Umweltschäden.
Für die Lebensmittel bedeutet dies weniger Chemie, weniger Kunstdünger, weniger Pestizide und Konservierungsstoffe. Es werden insgesamt weniger fremde Substanzen in den natürlichen Kreislauf eingebracht. Weniger oder überhaupt nicht intensiv bewirtschaftete Kulturen kommen mit weniger Wasser aus. Eine auf die lokalen Bedürfnisse ausgerichtete Tierhaltung muss nicht mit Antibiotika, Ammoniak oder anderen schädlichen Substanzen vergiftete Jauche ausbringen, wie sie in industriellen Zuchtbetrieben anfällt.
Die Rettung der Biodiversität in einem bestimmten Gebiet kann zahlreiche positive Auswirkungen haben. So wird zum
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