Terra Madre
der Idee, die verschiedenen lokalen Wirtschaftssysteme miteinander in Verbindung zu bringen. Man kann Netzwerke schaffen, innerhalb derer materielle und immaterielle Güter transportiert werden: natürlich die Produkte selbst – auf nachhaltige Weise und dahin, wo sie wirklich benötigt werden –, aber auch Informationen, indem man die anderen an nützlichen Kenntnissen und Technologien oder an all den geselligen Aspekten, die Ausdruck der immateriellen, aber grundlegenden »Lebensfreude« sind, teilhaben lässt.
Die Vorteile der lokalen Wirtschaft
Produktion
Für die lokale Produktion werden soweit wie möglich autochthone Pflanzenarten und Tierrassen ausgewählt, die sich im Lauf der Zeit den geomorphologischen und klimatischen Bedingungen sowie den Bodeneigenschaften der Umgebung angepasst haben und sich in Harmonie mit dem Ort und seinen Bewohnern weiterentwickeln. Da diese Arten aufgrund der langen Geschichte ihrer Anpassung resistenter geworden sind, benötigen sie keine Unterstützung durch äußerliche Substanzen wie Schädlingsbekämpfungsmittel, Kunstdünger, Pestizide oder Antibiotika.
In der lokalen Ökonomie werden die landwirtschaftlichen Traditionen und das Wissen, das mit dieser Art von Landwirtschaft verbunden ist, bewahrt. Die Produkte gedeihen besser, wenn sie auf traditionelle Art kultiviert werden. Dabei muss man sich Innovationen nicht verschließen. Man sollte nur immer im Geist der Evolution handeln, der in einem segensreichen Miteinander von Natur und Menschenhand besteht und eine über Jahrhunderte bewährte Landwirtschaftspraxis nicht einfach über den Haufen wirft.
Die kulinarischen Traditionen werden dabei ebenfalls aufgewertet. Mit lokalen Produkten, die nach den örtlichen Gepflogenheiten verarbeitet werden, erzielt man von Natur aus die besten Ergebnisse.
Ein weiterer Vorteil ist die Begünstigung kleiner und mittlerer Erzeuger, die in Würde leben und für ihre Arbeit angemessene Einkünfte erzielen können, weil sie nicht von den Mechanismen der Großproduktion erdrückt werden. Sie arbeiten vor Ort für den Markt, den sie kennen und der ihnen sichere Absatzmöglichkeiten bietet, oder außerhalb des lokalen Umfelds, um traditionsreiche Waren mit einem hohen Mehrwert zu verkaufen.
Hier ein Erfahrungsbericht aus dem Terra-Madre-Netzwerk: In Mali gibt es das Lebensmittelbündnis des Dogon-Volkes (auch ein Presidio-Projekt von Slow Food), das sich auf der Sandstein-Steilstufe in der Region Bandiagara zwischen Mopti und Timbuktu, die die malische Ebene von Norden nach Süden durchzieht, angesiedelt hat. Auf dieser Steilstufe bauten die Dogon ihre Häuser, indem sie Löcher in die roten Felsen schlugen und darin niedrige Lehmhütten errichteten. Als die ersten Anthropologen ihre Kultur studierten, verblüfften die Dogon, die sich als Schmiede, Bauern und Wunderheiler betätigten, die Welt durch ihre außergewöhnlichen astronomischen Kenntnisse. Ohne Unterstützung durch technische Hilfsmittel kannten sie den Saturnring, die vier Jupitermonde und das unsichtbare Sonnensystem des Sirius. Heute sind sie in ganz Mali als die besten Zwiebelbauern bekannt. Ihre Gastronomie ist überaus reich an traditionellen Gerichten wie Hirse- oder Bohnengebäck, tò (eine Art Hirsepolenta), Schalotten- oder Sauerampfer-Bällchen, Zwiebel- oder Baobab-Pulver, acasà -Bällchen (aus Erdnüssen und Zucker), Hirse-Couscous und Hirsebier.
Das einzige Erzeugnis, das die Dogon in Massen (frisch oder getrocknet) in den Handel bringen, sind Schalotten. Zu den interessantesten Aspekten dieses Volkes gehört jedoch die Vielfalt der Kulturen in ihren traditionellen Gärten. Darin ist ein Teil für Obstbäume (Mango-, Orangen-, Karité-Nussbäume, Bananenstauden) reserviert, einer für Getreide (Reis, Mais, Hirse, Foniohirse) und Erdnüsse, einer für Gemüse und Hülsenfrüchte. Diese lokale Vielfalt auf so begrenztem Raum (manchmal auf nur einem Hektar) ist sicher ihr wertvollster Schatz. Dazu kommt natürlich das Wissen ihrer Frauen, die Blumen, Früchte und Blätter jeder Pflanze (von angebauten oder wild wachsenden wie dem Baobab) zu einem Gewürz verarbeiten. [2]
Die lokale landwirtschaftliche Produktion ist vor allem in Afrika sehr stark gefährdet. Daran ist auch das Ungleichgewicht des globalen Marktes schuld, der die reichen Länder des Nordens mit ihren hohen Subventionen für die eigene Landwirtschaft begünstigt. Dadurch kosten in Afrika Importwaren oft weniger als heimische Erzeugnisse, sodass
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