Terra Madre
Beispiel die Landschaft und das Erscheinungsbild eines Gebiets wie auch dessen Funktion erhalten.
Das Beispiel des in Deutschland aus der alten Birnensorte »Champagner-Bratbirne« erzeugten Schaumweins veranschaulicht das eben Gesagte. Auf dem Albtrauf, dem nordwestlichen Steilabfall der Schwäbischen Alb in Baden Württemberg findet sich ein wahrer Schatz seltener und uralter Fruchtsorten: Birnen, Pflaumen, Äpfel und Kirschen. Mächtige alte Obstbäume bilden hier in einer zauberhaften, sanften Hügellandschaft eine der großflächigsten Streuobstwiesen Europas. Der Birnenschaumwein aus der Champagner-Bratbirne ist Gegenstand eines Slow-Food-Presidios, dessen eigentliches Ziel der Erhalt der Landschaft, der Schutz der ältesten Bäume und die Rettung der Streuobstwiesen ist.
Ein weiteres Beispiel findet sich in Großbritannien. Hier widmet sich ein Presidio in den Three Counties (Herefordshire, Worcestershire und Gloucestershire) dem Perry-Cidre, einem traditionellen, aber kaum bekannten englischen Getränk, das aus dem vergorenen Saft der gleichnamigen Birnen hergestellt wird. Erst nach mehreren Jahrzehnten tragen die Bäume Früchte, die für die Herstellung von Perry-Cidre geeignet sind; die besten Birnen stammen von hundertjährigen Bäumen. Die alten Obstgärten mit ihren großen, knorrigen Bäumen sind ein wesentliches Element in der britischen Landschaft, ein Ökosystem, das von englischen Naturforschern als wirklich einzigartig eingestuft wird.
Die lokale Wirtschaft ist auf die Biodiversität angewiesen und liefert uns deshalb die beste Garantie für eine nachhaltige Nutzung und Bewahrung der Artenvielfalt. Dass die Produkte nur saisonal erhältlich sind, fördert nicht nur den Genuss und die Erziehung der Verbraucher, sie ist auch unverzichtbar für eine effiziente Produktion, die sich nach den natürlichen Zyklen richtet. Auch der Rückgang der invasiven Technologien, die für die Agro-Lebensmittelindustrie so typisch sind, wird sich segensreich auf die Umwelt und die Vitalität der natürlichen Prozesse auswirken.
Die Effizienz eines Produktionsprozesses muss sich auch an den möglichen negativen Folgen für ein Gebiet messen lassen. Dank strengerer Kontrollen kann die Bevölkerung diejenigen zur Rechenschaft ziehen, die nicht umweltschonend oder nachhaltig arbeiten. Es ist auf jeden Fall sinnvoller, kleinräumig zu kontrollieren, am besten durch die einheimische Bevölkerung, die am Schutz des eigenen Gebiets interessiert ist, als die Produktion, wie es häufig geschieht, zu konzentrieren und an entlegene Orte zu verlagern. Ohne Kontrolle durch ansässige Bauern oder andere Einwohner könnte dort sonst jeder unbeobachtet tun und lassen, was er will.
Energie
Es lassen sich weitere Vorteile für lokale Energiesysteme anführen, sowohl beim Verbrauch als auch bei der Produktion.
Wie bereits ausgeführt, neigt ein lokales Lebensmittelsystem dazu, »biologischer« zu sein und vor allem Sonnenenergie zu nutzen. Für Kunstdünger und Pestizide dagegen muss viel Energie aufgewendet werden, nicht nur bei der Produktion, sondern auch bei der Anwendung. Diese Mittel ersetzen de facto die Sonnenenergie, die eigentlich den Produktionszyklus der Nahrung bestimmen sollte. Darüber hinaus ist die industrielle Landwirtschaft im Allgemeinen »durstiger« als die biologische und verbraucht sehr viel Wasser.
Am interessantesten aber ist, dass lokale Wirtschaftssysteme die Dezentralisierung der Energieproduktion begünstigen. Sie können sie den einzelnen Betrieben oder kleinen örtlichen Konsortien überlassen, die alternative und erneuerbare Energien weitaus besser nutzen können. Einen Wasserfall für die Energieerzeugung in einem Betrieb zu nutzen oder Solarzellen zu installieren kann den Energiebedarf eines ganzen Bauernhofs decken. Bei Überschuss speist man saubere Energie ins Netz ein, die wiederum anderen zugute kommt. Auch die Energieerzeugung aus Biomasse darf nicht vernachlässigt werden, bei der Abfälle des Produktionsprozesses sowie pflanzliches und organisches Material, das sonst weggeworfen würde, in Energie umgewandelt wird. Schon kleine Biomasse-Generatoren können den Bedarf eines Betriebs decken, ohne weitere Kosten, weder für die Entsorgung der Abfälle noch für den Ankauf von Energie.
Die Dezentralisierung der Energieerzeugung ist ebenso wichtig wie die der Lebensmittel, denn sie erlaubt eine rationellere und vollständigere Nutzung der örtlichen Ressourcen und trägt spürbar zu einer
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