Terra Madre
Vertreter von kleinen Produzenten, die sich sonst nicht am Markt beteiligen könnten.
Einer der ersten internationalen Bauernmärkte entstand interessanterweise in Israel. Die Arbeiten zur Umwandlung des Farmers’ Market in Tel Aviv in einen Markt der Erde begannen 2008. Wie bei den libanesischen Märkten wurden auch in Israel die Richtlinien an die Gegebenheiten des Landes angepasst. Der Markt wurde am 16. Mai 2008 eröffnet und im Februar 2009 offiziell zum Markt der Erde erklärt.
Dieser erste Markt israelischer Erzeuger wird immer freitags im neuen Hafen von Tel Aviv abgehalten. An 30 Ständen präsentiert er eine große Bandbreite an Produkten, von Olivenöl bis Wein, von Ziegenkäse bis Bier, dazu frisches Obst und Gemüse sowie die berühmten Klassiker der gastronomischen Kultur des Nahen Ostens, etwa die Sesampaste tahini , die vor allem für hummus , aber auch für sehr viele traditionelle israelische Süßspeisen verwendet wird.
Der Markt liegt inmitten von Bars und Restaurants in einem kürzlich erneuerten Teil des Hafens, wo sich am Wochenende viele Leute treffen. Tel Aviv ist eine junge, lebensfrohe, brodelnde Stadt am Meer. Die Marktkunden kommen aus allen sozialen Schichten und finden hier hochwertige Qualität (viele Restaurantbesitzer suchen sich in den frühen Morgenstunden die besten Produkte aus) zu Preisen, die gemessen am städtischen Standard absolut vernünftig sind. Auch die Anbieter sind eine bunte Mischung aus allen Landesteilen und gehören zudem unterschiedlichen Religionen an – in einem so komplizierten Staat wie Israel eine bemerkenswerte Erscheinung.
All diese Aktivitäten fördern die Stadt-Land-Beziehung, die einer der Dreh- und Angelpunkte bei der Neudefinition und Neuorganisation des globalen Lebensmittelsystems ist. Von grundlegender Bedeutung ist dabei die lokale Wirtschaft. Erstens bietet sie in doppelter Hinsicht angemessene Preise, nämlich sowohl für den Produzenten als auch für den Käufer, aber noch wesentlicher ist ein zweiter Punkt: Erzeuger und Koproduzent wohnen nahe beieinander, haben also die Möglichkeit, sich persönlich kennenzulernen. Wenn ich den Bauern, der meine Nahrung produziert, kenne und weiß, wie er arbeitet, kann ich selbst direkt die Qualität kontrollieren, Informationen einfordern, Verbesserungen vorschlagen und mich nötigenfalls beschweren.
Der direkte Kontakt bietet Gewähr für eine Produktion auf qualitativ hohem Niveau und kann zu wertvollen menschlichen Beziehungen führen. Der Bauer fühlt sich mit Sicherheit weniger isoliert und ist sich der sozialen Bedeutung seiner Arbeit stärker bewusst, während der Koproduzent eine aktivere Rolle übernehmen und sich in Bezug auf seine Lebensmittel sicherer fühlen kann. Zudem hat er die Möglichkeit, sich weiterzubilden und sein Wissen über die Landwirtschaft und ganz allgemein über das Leben auf dem Land an seine Kinder weiterzugeben.
Konsum und Koproduktion
Die lokale Wirtschaft kann bewirken, dass der unpersönliche, verschwenderische und nie wirklich befriedigende Akt des Konsumierens zu einer aktiven Wahl wird, die den Konsumenten zum Koproduzenten macht. Die (physische oder virtuelle) Nähe zu den Menschen und den Produktionsstätten fördert den Informationsaustausch und vermittelt dem Verbraucher das Gefühl, am Produktionsprozess der Nahrung beteiligt zu sein. Dadurch lernt er, dass diese Lebensmittel eine höhere Wertschätzung verdienen als jene, die uns über die Kanäle des weltweiten Systems der Agro-Lebensmittelindustrie angeboten werden.
Laut den Daten des italienischen Statistikamts ISTAT stieg 2008 der Direktverkauf von landwirtschaftlichen Erzeugnissen um acht Prozent. Offensichtlich fühlen sich die Leute zunehmend als Koproduzenten und betrachten die Suche nach lokal erzeugten Lebensmitteln als eine Sache des gesunden Menschenverstands – und nicht als »kindisch«, wie einige leider immer noch überheblich meinen.
Außerhalb des lokalen Umfelds Koproduzent zu werden ist schwieriger. Informationen über die Produkte und die Produzenten sind nur schwer erhältlich, denn die Industrie tendiert dazu, ihre Methoden der Verarbeitung und die Eigenschaften der Rohstoffe als Betriebsgeheimnis zu hüten, beispielsweise bei den Aromastoffen, deren Formeln eifersüchtig bewacht werden. Es gibt fünf Firmen, die auf diese Zusatzstoffe (die sich in unseren Lebensmitteln, aber auch in Markenparfüms finden), praktisch das Weltmonopol besitzen und sie über das Industriegeheimnis
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