Terra Mater
ungeduldig. »Ich warte auf eine Erklärung!«
Dame Sibrit drehte sich lebhaft um. Ihre türkisfarbenen Augen funkelten. »Zuerst muss ich Euch ein Geständnis machen …«
»Solltet Ihr von Euren unzähligen Liebhabern sprechen wollen, Madame, könnt Ihr Euch Euer Geständnis sparen. Schon seit langem weiß ich über die geheimen Spielchen in Eurer Suite Bescheid. Ich habe sie toleriert, weil ich Euch noch immer mit Nachsicht begegne, wohl in Erinnerung an unsere Liebe auf dem Rasen in diesem Garten … Andererseits wurden mir jene wahnwitzigen Gerüchte, die über Euch im Umlauf sind, bisher nicht bestätigt: Es heißt, Ihr ließet Männer, die Euch nicht befriedigen, abschlachten und würdet dann in ihrem Blute baden. Meine Informanten konnten diese Gerüchte weder be- noch wiederlegen, aber ihnen wurde bestätigt, dass Höflinge, Adelige, Offiziere und selbst einfache Dienstboten auf mysteriöse Weise, ohne Spuren zu hinterlassen, verschwunden sind …«
»Das Universum ist groß, Monseigneur«, sagte Dame Sibrit und seufzte mit einem Achselzucken. »Und Männer überkommt manchmal ein plötzliches Bedürfnis, es erforschen zu wollen.«
Menati stand nun ebenfalls auf und ging, noch immer nackt, zu seiner Gemahlin vor dem Fenster. Aus schwarzen Augen sah er sie drohend an.
»Hütet Euch, Madame!«, sagte er. »Selbst der Titel Imperatrix verleiht nicht alle Rechte.«
»Gewiss, Monseigneur. Aber der Titel Imperator impliziert höchstes Pflichtbewusstsein.«
»Erklärt Euch näher!« »Mein Geheimnis betrifft meine Träume, nicht meine Geliebten. Dass Ihr mich überwachen lasst, ist verständlich. Aber Ihr solltet Eure Informanten auswechseln, sie sind indiskret. Und im Bett werden sie alle geschwätzig … Doch Ihr müsst wissen, dass ich im Traum voraussehen kann.«
»Teufel auch! Ihr beginnt, mir wirklich Angst einzujagen, Madame!«
»Wenn ich Euch diese Tatsache bisher verschwiegen habe, geschah das, weil ich eine Verurteilung der Kirche des Kreuzes fürchtete. Denn die Inquisitoren betrachten seherische Kräfte als Relikte der Hexerei. Und ich wollte einen Skandal vermeiden, der unweigerlich stattgefunden hätte, wäre die erste Dame des Ang-Imperiums der Hexerei angeklagt worden. Aber in dieser Zweiten Nacht kann ich nicht mehr schweigen …« Dame Sibrit sah sich flüchtig um. »Sind Eure Gemächer sicher, Monseigneur?«
Menati machte seiner Gemahlin ein Zeichen, sie solle warten, und verschwand im Zimmer der reinigenden Wellen. Kurz darauf kam er, in ein weißes Nachtcape gehüllt, zurück.
»Gehen wir in den Garten, den Ihr so zu lieben scheint …«
»Ihr habt keinen Colancor angelegt, Monseigneur?«
»Das ist nicht das erste Mal, so viel ich weiß! Als Ihr mich seinerzeit ungeduldig in den Garten zerrtet, habt Ihr mir diese Frage nicht gestellt …«
Der an Menatis Schlafgemach angrenzende Garten war umfriedet und eigentlich vor neugierigen Blicken geschützt. Jedoch waren die Höflinge und Kardinäle von einer derartigen Neugier beseelt, dass man davon ausgehen konnte, wahrscheinlich auch dort mithilfe einer ausgeklügelten Strategie ausspioniert zu werden.
Dame Sibrit und Imperator Menati gingen zu dem Brunnen und setzten sich auf die Brüstung des Bassins, denn das Plätschern des Wassers machte es unmöglich, ihre Unterhaltung zu belauschen.
»Ihr spracht von Träumen, die in die Zukunft weisen …«
»Ich habe das Ende des Seigneurs Ranti vorhergesehen und versuchte, ihn darüber zu informieren. Ich habe vorausgesehen, dass Ihr der Mörder Eures eigenen Bruders sein würdet und der seiner beiden Söhne, die ich ihm geschenkt habe. Ich habe den Tod Tist d’Argolons vorausgesehen und den der Mitglieder des Hochadels … Und vor kurzem habe ich die Ermordung Barrofill XXIV. gesehen … Das sind jedoch nur einige Beispiele …«
»Der Muffi ist kerngesund!«
»Ihr seid ein miserabler Schauspieler, Monseigneur. Seneschall Harkot hat Euch geraten, Euch Barrofills zu entledigen. In meinem Traum habe ich sogar seinen Nachfolger erkannt: einen jungen, vom Hohen Vikariat manipulierten Kardinal … Sollte ich mich etwa irren?«
Menati aktivierte sofort seine mentale Selbstkontrolle,
um sich nicht die Bestürzung anmerken zu lassen, die die Enthüllungen seiner Gattin in ihm ausgelöst hatte.
»Könnten Eure Visionen Euch nicht einmal täuschen, Madame?«
»Sie haben sich immer als wahr erwiesen … Immer.«
Drei der fünf Gestirne der Zweiten Nacht waren bereits am
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