Terra Mater
können, genauso wenig wie an die Gefühle der Beklemmung und der Angst, zerquetscht zu werden, die die Großen Orgeln in ihm hervorriefen.
»Das ist nichts Neues, Inquisitor!«, entgegnete er ungehalten. »Ich wollte die Matrionen nur warnen … Aber ich möchte wissen, warum Sie mir geraten haben, dieses Mädchen noch länger zurückzuhalten.«
»Als sie den Gerichtssaal betrat, war sie in einem Stadium puren Entsetzens. Sie hatte kein reines Gewissen. Ich konnte in ihrem Kopf das Bild eines Mannes erkennen, eines Mannes, der kein Ephrenier ist …«
»Alle Mädchen träumen von einem Prinzen, auch Thutalinen. Und allein diese rein weibliche Eigenschaft macht Frauen für Kirchenämter untauglich.«
»Gewiss, Eminenz. Aber das ist bei diesem jungen Mädchen nicht der Fall. Sie hat einen Mann im Klostergarten aufgefunden, in ihrer Zelle versteckt und glaubte, von den Matrionen bei ihrem Tun entdeckt worden zu sein, wofür sie mit lebenslanger Verbannung auf die Insel Pzalion bestraft worden wäre.«
Der Kardinal blieb stehen und starrte das hässliche Gesicht des Inquisitors mit den hervorquellenden Augen an.
»Wo, zum Teufel, hätte sie denn diesen Mann auflesen können? Die gesamte Klosteranlage ist derart gesichert,
dass niemand dort eindringen kann, ohne Alarm auszulösen. Es sei denn, man reist per Deremat und die Rematerialisation findet innerhalb des Geländes statt. Außerdem würde die zellulare Identifikation sofort die Anwesenheit eines Eindringlings melden. Sind Sie vielleicht einer telepathischen Illusion erlegen?«
»Das halte ich für unwahrscheinlich, Eminenz.« Der Scaythe deutete mit ausgestrecktem Arm auf das nächstgelegene Haus. »Die Erinnerungen dieses Mädchens waren so fühlbar, so wirklich wie diese Mauern. Und sie stellte sich dieselbe Frage wie wir: Auf welche Weise konnte dieser Mann den Magnetzaun überwinden sowie der zellularen Identifikation entgehen?«
»Und haben Sie eine Erklärung dafür?«
Wieder schwieg Xaphox eine Weile. Während des Gesprächs blieben die Gedankenschützer, die Interlisten, die Missionare und der Vikar in respektvollem Abstand stehen. Die wenigen Passanten gingen schnell und mit gesenkten Köpfen weiter. Niemand wollte sich in der Nähe dieser Personen freiwillig aufhalten; die überall in der Stadt stehenden Feuerkreuze sprachen eine zu deutliche Sprache.
»Nach langem Überlegen bin ich zu dem Schluss gekommen, Eminenz, dass es sich bei diesem Mann um einen Krieger der Stille handeln muss.«
»Oh, nein! Nicht so etwas! Und das auch noch von Ihnen, Inquisitor!«, rief der Kardinal. In dem Moment hatte er vollkommen die Regeln der autopsychischen Selbstkontrolle vergessen. »Sie wollen mir doch nicht etwa weismachen, dass Sie dieses dumme Gerede glauben?«
Die Missionare und der Vikar sahen den Kardinal wegen seines Gefühlsausbruchs überrascht an, während der Scaythe völlig ruhig blieb.
»Wie heißt es in der Legende«, argumentierte Xaphox gelassen. »Dass die Krieger der Stille mit Hilfe der Kraft ihrer Gedanken reisen und jeder Form der Inquisition – der mentalen, also auch der zellularen – gegenüber immun sind.«
»Mittels Gedankenkraft reisen!«, höhnte der Kardinal und brach in schallendes Gelächter aus. »Eine völlig absurde Hypothese, deren Unsinnigkeit bereits von der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaft und Technik bewiesen wurde … der verstörte Geist dieses Mädchens hat Sie in die Irre geführt, Inquisitor. Ordensschwestern neigen dazu, eine blühende Phantasie zu haben, sich Illusionen hinzugeben – die sie für ebenso real wie dies Mauern halten. Ich habe Sie für einen Mann mit mehr Scharfsicht gehalten …«
»Vielleicht habt Ihr recht, Eminenz«, sagte Xaphox, denn er hatte begriffen, dass eine Diskussion mit diesem Geistlichen zu nichts führen würde. Schließlich war die Haltung des Kardinals nur die logische Konsequenz der Politik des Seneschalls Harkot.
Er nahm mit dem Dienst habenden Scaythen auf dem Wachturm der Gedanken in Koralion Kontakt auf und bat ihn, seine ganze Aufmerksamkeit einer Thutalin namens Oniki Kay zu widmen. Der Scaythe – ein Keimling niederen Grades – erfüllte die Anfrage seines Vorgesetzten augenblicklich. Xaphox blieb nur noch eins zu tun: Er befahl einigen Pritiv-Söldnern sich unauffällig, aber nahe beim Kloster zu postieren.
Warmes Wasser lief über Onikis Körper. Oft duschte sie länger als eine Viertelstunde, um ihre von der Arbeit verspannten Muskeln zu
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