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Terra Science Fiction

Terra Science Fiction

Titel: Terra Science Fiction Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schelwokat
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was immer zu vollenden war – denn das seltsame Paar und ihre Welt waren verschwunden. Weder sie noch das Mobiliar in ihren Räumen existierten noch.
    Nach dem Frühstück schlenderte Marriott lustlos durch die schmutzigen Straßen der Stadt und überlegte, was er noch von dem behalten hatte, das er vor Jahren auf dem College über Psychologie gelernt hatte. Es war nicht viel, aber vielleicht half es ihm, eine Erklärung für sein Problem zu finden. Eine Reihe von Begriffen kamen ihm in den Sinn: Neurosen, Schizophrenie, Verfolgungswahn. Es war schwer vorstellbar, daß er an einer dieser Gemütskrankheiten litt. Er war vielleicht ein Narr, ein zuweilen etwas schrulliger Einzelgänger – aber nein, nicht verrückt! Er lächelte schwach, als er den Gedanken daran weit von sich wies. Ein Narr, ja, das gab er sich zu. Ein Narr und ein Mann, der in diesem Leben nicht gerissen genug war, um sich einen Platz an der Sonnenseite zu erkämpfen, der sich von anderen nur allzu leicht übers Ohr hauen ließ. Ein Beispiel dafür war das Land, das er der Stadt einmal zu einem Schleuderpreis verkauft hatte, im Glauben daran, daß darauf Grünanlagen entstehen sollten und daher der Preis nur so niedrig sein konnte. Kurz darauf hatte er dann voller bitterer Überraschung zusehen müssen, wie man darauf Fabrikanlagen erbaute.
    War es Dummheit? Er lachte trocken. Unerfahrenheit!
    Marriott erreichte die Stelle, an der er im Traum das Atomkraftwerk gesehen hatte. Die Erinnerung überkam ihn so heftig, daß er stehenblieb und sich lange die zehn, zwölf einfachen Holzhäuser ansah, die nun auf dem Gelände standen. Es war nicht schwer vorstellbar, daß diese Baracken irgendwann abgerissen und an ihrer Stelle die mächtige Kuppel des Kraftwerks in die Höhe wachsen würde. Wieder versuchte er, sich alle Einzelheiten des Traumes ins Gedächtnis zu rufen. Er sah die Kuppel mit den riesigen transparenten Flächen, die Turbinen und Aggregate. Eine solche gewaltige Konstruktion wirkte in der realen Umgebung noch vollkommen fehl am Platz. In Marriotts laienhafter Vorstellung wurden Atomkraftwerke weit außerhalb jeder größeren oder kleineren Stadt erbaut, bedingt durch ihre Größe, die Verunstaltung des Stadtbilds und die radioaktive Gefährdung der Bevölkerung. In seiner Traumwelt der Zukunft mußte man diese Probleme also entweder gelöst haben oder sie völlig ignorieren.
    Ein Blick auf die Armbanduhr brachte ihn in die Realität zurück. Drei Minuten vor neun. Er mußte sich verdammt beeilen, wenn er das Geschäft noch auskehren wollte, bevor Pete Clayton erschien.
    Er war gerade ein Dutzend Meter gegangen, als es ihm durch den Kopf fuhr: Wenn ich was tun wollte? Wie ein gebrechlicher, alter Mann verlangsamte er seinen Schritt und schleppte sich weiter. Die Erinnerung war zu gräßlich, der Gedanke daran, daß er, Paul Marriott, vier lange Jahre Claytons Laden ausgekehrt und auch sonst jede Schmutzarbeit getan haben sollte.
    Aber warum? Warum denn nur? Was ist wirklich geschehen?
    Marriott fühlte sich nicht in der Lage, weiterzugehen, bevor er sich nicht über einiges klargeworden war. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen einen Laternenmast. Erbarmungslos schoben sich Erinnerungen an die Oberfläche seines Bewußtseins, vermischten sich Traum und Wirklichkeit. Ein Bild schälte sich aus diesem Chaos heraus, wurde deutlicher …
    Gegen Ende des Jahres 1969 hatte Paul Marriott, der letzte Sproß der ehemals mächtigen und angesehenen Marriott-Familie, plötzlich allen Ehrgeiz verloren, vielleicht sogar einen Teil seines Lebenswillens. Er hatte geistig resigniert, sich treiben lassen. Er war immer tiefer in einen Abgrund geraten, von dem er nicht wußte, wann und warum er sich für ihn aufgetan hatte, oder wie tief er noch war. In immer wieder neuen Anfällen von Selbstzerstörungssucht hatte er es zugelassen, daß man ihn um das wertvolle Marriott-Land betrog, und sich und seinen Namen schließlich vollkommen der Lächerlichkeit preisgegeben, als er sich für einen Hungerlohn bei den Claytons verdingte.
    Aber was wurde aus Judith?
    Marriott verzog das Gesicht, als düstere Ahnungen in ihm aufstiegen. Wieder hatte er das Gefühl, kurz vor einer ernüchternden, schlimmen Erkenntnis zu stehen. Er erinnerte sich daran, daß Judith und er verlobt gewesen waren. Und dann …
    Sein Verstand weigerte sich für einen Moment, den Gedanken zu akzeptieren, der mit solch ungestümer Wucht aus dem Unterbewußtsein brach. Weshalb hatte er die Frage

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