Terra Science Fiction
völlig verdrängt, die ihm Judiths Vater am gestrigen Tag gestellt hatte, als er ihn anrief? Wieso hörte er sie jetzt klar und deutlich: »Was bringt dich dazu, plötzlich wieder an sie zu denken, Paul?«
Dieser Hypnotiseur! Es war Marriott, als sähe er endlich ein Licht in dem Dunkel, in das er tiefer und tiefer abglitt. Der Mann hatte ihn aus dem Publikum geholt, zu einem Teil seiner Show gemacht, sein Unterbewußtsein aufgerissen.
Ich muß mit ihm reden! Ich muß ihn finden!
Die Suche war wie ein neuer, sich quälend dahinziehender Traum. Doch Marriotts Entschlossenheit wuchs nur noch mit jeder Enttäuschung, mit jedem abgebrochenen Gespräch, Fragen und Schulterzucken. Er war auf dem Weg, und er wußte es. Er redete mit Theatermanagern, Hotelportiers, Busfahrern und Presseleuten, und immer wieder war die Antwort ein Kopfschütteln. So verging der Vormittag, aber die Idee trieb Marriott voran, gab ihm die Kraft, jede neue Enttäuschung zu verwinden. Es war zwei Uhr nachmittags, als er wieder ein Hotel betrat – das wievielte es war, wußte er beim besten Willen nicht mehr zu sagen – und endlich Erfolg hatte.
Nicht auf der Bühne im Licht der Scheinwerfer stehend, war der Große Blandar längst nicht mehr die erhabene Figur, die Marriott im Gedächtnis hatte. Er wirkte kleiner, schon unansehnlich in seinem ganz normalen blauen Anzug. Man hätte ihn für einen Vertreter halten können.
»Möchten Sie mir einen Drink spendieren?« fragte er.
Marriott hatte daran nun gerade nicht gedacht, zuckte jedoch die Schultern und fühlte sich plötzlich selbst durstig. Als sie zur Hotelbar gingen, erklärte er bereits, welche Schwierigkeiten er seit seinem unfreiwilligen Auftritt hatte. Blandar schien nur mit halbem Ohr zuzuhören.
»Ich habe gut und gern einhundert Meilen zurückgelegt, um Sie zu finden«, sagte Marriott mit leisem Vorwurf.
Blandar sah ihn nur an, ohne ein Wort zu sagen. Er dachte offenbar gar nicht daran, sich für irgend etwas zu entschuldigen. Ungeduldig wartete er auf die Getränke, und als sie endlich kamen, leerte er den Inhalt seines Glases mit einem schnellen Zug.
»Noch einen!« rief er dem Barkeeper zu.
Diesmal trank er etwas langsamer, aber Marriott ahnte bereits, welches Problem er hatte. So ließ er das Wechselgeld auf seinen Zehn-Dollar-Schein diskret auf der Theke liegen und nickte dem Keeper unauffällig zu. Das dritte Glas schien Blandars Zunge endlich zu lockern.
»Ich erinnere mich jetzt an Sie«, sagte der Hypnotiseur, als Marriott ihm nochmals darlegte, was ihn plagte. »Sie wollten nicht zu mir heraufkommen, aber diese jungen Leute ließen nicht locker. Ich hatte den Eindruck, daß …« Er neigte den Kopf und überlegte. »Ja, daß diese Burschen Sie erniedrigt sehen wollten, ohne daß sie sich dessen bewußt waren. Der unbewußte Wunsch, verstehen Sie? Sie müssen wissen, ich praktizierte als Psychologe, bevor ich entdeckte, daß ich als Hypnotiseur eine Menge mehr Geld verdienen konnte.«
Marriott nickte. Was Blandar da sagte, war auch seine Ansicht.
»Jedermann in Hampden«, sagte er, »ist nach außen hin freundlich zu mir. Ich denke, daß jeder den Menschen, den er aus irgendwelchen Gründen beneiden zu müssen glaubt, einmal gern am Boden sieht. Und mich beneidet man zumindest noch wegen meines Namens.«
Eifersucht, dachte er dabei, wäre das bessere Wort dafür. Laut fragte er: »Ich verstehe nur eines nicht. Warum machte ich das alles so bereitwillig mit? Weshalb ließ ich mich so leicht in Trance versetzen und tat ihnen den Gefallen?«
»Schuld!«
Marriott war es, als hätte er einen Schlag in den Magen bekommen. Er wechselte die Farbe.
»Was meinen Sie damit?«
Er fühlte sich wie tief in einem dunklen Brunnen, emporblickend zu dem Licht, das Blandar ihm brachte. Die Augen des Hypnotiseurs waren starr auf ihn gerichtet.
»Dieses Mädchen, Judith«, sagte Blandar gedehnt. »Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?«
»Ich weiß es nicht!« antwortete Marriott etwas zu schroff. Himmel, ich rechtfertige mich bereits vor ihm!
»Die Art Ihrer Halluzinationen«, sagte Blandar ruhig, »eröffnet eine ganze Reihe von Hypothesen über ihre möglichen Gründe. Finden wir also heraus, welche die zutreffende ist. Die meisten Menschen flüchten sich ins Vergessen oder in die Vergangenheit, wenn sie vor einer Situation stehen, der sie sich nicht gewachsen fühlen. Ihre erste Reaktion war das Vergessen, doch als die ersten Bruchstücke der verdrängten Erinnerung wieder
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