Terra Science Fiction
denn ich kann nicht Gefahr laufen, gegen meinen freien Willen zu irgend etwas gezwungen zu werden.
Fern von euch, in der Einsamkeit dieses Fleckens Natur, konnte ich zu mir selbst finden.
Erinnert euch einmal zurück, so wie ich es getan habe. An die Zeit der Meditation auf der guten, alten, verfluchten Erde, durch die wir unseren Geist stärkten und zu unserem Prana fanden. An die ersten Erfolge, als es einigen von uns gelang, sich wenige Zentimeter über den Boden zu erheben, zu schweben. An den ersten praktizierten Gedankenaustausch … und an den großen Augenblick, als wir den letzten Ballast abwarfen und erdungebunden wurden. Wir waren frei, es war die absolute Freiheit, nach der wir gestrebt hatten und die wir nun besaßen, und keine Kraft der Erde konnte uns mehr an diesem Ort halten.
Was war das für ein erhebender Moment, als wir alle eins im Geiste wurden und gemeinsam den entscheidenden Schritt taten! Wie viele Millionen vor uns – und wie der Rest der Menschheit nach uns. Denn wir waren überzeugt, daß niemand auf der verbrauchten Erde zurückbleiben wollte. Für uns war es keine Frage, daß jeder Mensch den Weg ins Paradies finden würde.
Wir jedenfalls glaubten, den Garten Eden gefunden zu haben, und es schmerzte nur wenig, daß wir in der neuen Welt für uns allein zu sein schienen. Wir waren uns selbst genug.
Dafür, daß wir auf keine Prana-Jünger trafen, fanden wir viele Erklärungen, etwa die, daß die verschiedenen Großfamilien sich geistig so weit von anderen entfernt haben mochten, daß sie nicht mehr miteinander gedanklich kommunizieren konnten.
Wir nahmen uns vor, die neue Welt irgendwann einmal zu erkunden. Nicht heute, nicht morgen, vielleicht übermorgen oder noch später. Wir hatten es damit nicht eilig. Warum auch?
Wir waren am Ziel.
Es hatte jeden von uns nur einen einzigen Gedanken gekostet, es war nur ein kleiner geistiger Schritt nötig gewesen, um völlig gereinigt, bar jeglichen Zivilisationsschmutzes, wiedergeboren geradezu, hierherzugelangen. Wo dieses Hier war, war eigentlich bedeutungslos.
So traurig der Verlust von dreien aus unseren Reihen auch war, ihr Schicksal war gleichzeitig die Bestätigung für uns, daß Zivilisationsabhängige keinen Zutritt in dieses Paradies hatten.
Und es war keiner unter uns, der die Tatsache bedauerte, daß dieser Schritt ein endgültiger war und wir nicht mehr zurück konnten. Prana, das schien uns klar, war nur eine Hinfahrkarte ins Paradies.
Irrtum, Freunde!
Inzwischen hat sich der Zug längst schon in Bewegung gesetzt, und wir fahren bereits wieder zurück in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Die Fahrt ist noch langsam, aber sie wird immer schneller, und in welcher Ferne die Endstation auch noch liegen mag, ich sehe, was uns dort erwartet. Mit dieser Gewißheit möchte ich nicht leben.
Verzeiht, Freunde, daß ich so ausschweifend werde, aber ich gebe meine Gedanken so wieder, wie sie mir kommen, und es ist nötig, daß ich euch einiges in Erinnerung rufe, damit ihr die Situation, wie ich sie sehe, besser verstehen könnt.
Da Prana meine Erwartungen nicht erfüllen konnte, muß ich die letzte sich bietende Gelegenheit ergreifen, von dem rückwärtsfahrenden Zug abzuspringen. Ich sehe es fast wie einen Fluch, der auf uns Menschen zu lasten scheint.
Wir sind nun mal wie wir sind, und können anscheinend nicht aus unserer Haut heraus. Oder wir müßten tatsächlich gänzlich aus unserer Haut schlüpfen, um das Wahre zu erkennen. Prana jedenfalls reicht dafür nicht aus.
Prana war eine geistige Krücke, die uns bei der Bewältigung der ersten Hürden recht dienlich war, die aber letztlich nicht ausreicht, um uns ständig mit ihrer Hilfe fortzubewegen. Ich bin nun sicher, daß wir Menschen uns nicht ändern, solange wir Mensch bleiben. Ich betrachte den Tod nicht als Allheilmittel gegen diesen Zustand, und ich habe sogar ein wenig Angst vor dem, was mich danach erwartet.
Etwa Technokraten mit Engelsflügeln? Forscher mit Boticelli-Gesichtern? Oder aber wirkliche Geistesfreiheit und wahren Seelenfrieden – und nicht eine körperlose Gesellschaft nach irdischem Muster? Das sind in etwa meine Ängste, die mich plagen, zugegebenermaßen vielleicht ein wenig ironisiert.
Immerhin, es ist wahr, ich habe Existenzangst. Solche Existenzangst, daß ich nicht anders kann, als wieder zu fliehen, obwohl die Flucht in Prana nichts eingebracht hat. Am Ende gibt es gar die Seelenwanderung, und ich muß irgendwann einmal zu euch
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