Terror: Thriller (German Edition)
Die Carabinieri öffnen die Türen des Jeeps. An den Haaren wird Carla aus dem Wagen gezogen, »Nutte«, »Kommunistensau«, der Carabiniere brüllt sie an. Ihre Rippen schmerzen. Ein- und Ausatmen ist eine Qual. Mit dem Schlagstock wird sie vorangetrieben, auf den Korridor zu, den die Beamten bilden. Manche tragen graue Uniformen, dazwischen ein paar dunkle. Sie sieht den Hass in den Gesichtern, schleppt sich über den Kasernenhof. Ein Beamter greift ihr brutal an den Hals, hält ihren schmerzenden Kopf fest und malt ihr ein Kreuz auf die Wange. Sie ist markiert, wird weitergeschubst. Jetzt beginnt der Spießrutenlauf. Von links und rechts kommen die Schläge, mit Gummiknüppeln, Fäusten, sie wird getreten und bespuckt. Einer ruft »vi ammazzeremo tutti«, wir bringen euch alle um, und damit die Ausländer unter ihnen es auch verstehen, macht er die Kopf-ab-Geste. Sie versucht zu laufen, um den Eingang der Kaserne zu erreichen. Dass es das Tor zur Hölle ist, weiß sie noch nicht.
In Zelle acht sind schon fünf Männer und drei Frauen. Sie stehen mit hocherhobenen Händen und gebeugten Knien vor der Wand, die Köpfe gesenkt. Eine Frau liegt röchelnd auf dem Boden. Sie blutet aus dem Mund. Sie dürfte kaum älter sein als sie selbst. Wieder wird sie angeschrien, soll sich in der gleichen Stellung wie die anderen zur Wand drehen. Acht Stunden verbringt sie in der Zelle. Nachrichten dringen zu ihnen, dass auf dem Klo gefoltert werde. Niemand traut sich mehr, aufs Klo zu gehen. Der Uringeruch in der Zelle ist kaum auszuhalten. Als zwei Wachen den Geruch bemerken, treten sie in die Zelle und beschimpfen sie und ihre Zellengenossen als »stinkende Kommunisten, die sich vor Angst bepissen«. Sie werden gezwungen, den rechten Arm zu heben, zu brüllen »Viva la Polizia, viva il Duce!« Wenn sie sich weigern, werden sie geschlagen. Sie müssen skandieren: »Uno, due, tre, Evviva Pinochet, quattro, cinque, sei, a morte gli ebrei« – eins zwei drei, hoch lebe Pinochet, vier fünf sechs, Tod den Juden. Immer wieder wird sie als Hure beschimpft. »Adesso ti stupro, puttana. Siamo una ventina …« – jetzt wirst du vergewaltigt, Nutte. Wir sind zwanzig Mann …
Ihr Name wird aufgerufen, ein Carabiniere packt sie brutal am Arm und zerrt sie über den Gefängnisflur auf eine Tür zu. Der Carabiniere klopft an. Von drinnen ertönt eine Stimme: »Herein!« Der Carabiniere öffnet die Tür und schleudert sie in den Raum. Sie stolpert und fällt zu Boden. Die Tür wird hinter ihr geschlossen. Ein Mann beugt sich zu ihr hinunter. Er trägt einen weißen Arztkittel und lächelt. Carla schöpft Hoffnung. Der Arzt packt sie an den Unterarmen, um ihr aufzuhelfen, und plötzlich packt sie lähmendes Entsetzen – der Arzt trägt schwarze Lederhandschuhe. Als sie steht, befiehlt er ihr, sich nackt auszuziehen. Sie weigert sich. Der Arzt schlägt ihr mit der Faust gegen die Rippen. Carla wird von einer Welle des Schmerzes überrollt. Sie krümmt sich und geht wieder zu Boden.
»Ausziehen!«, brüllt der Arzt, »ich würde dich auch lieber verrecken lassen, aber ich muss dich untersuchen, zecca communista!« Carla ist halb besinnungslos vor Schmerz und gehorcht. Bloß keine Schläge mehr! Nicht mehr diese Schmerzen! Der Arzt befiehlt ihr, die Arme hochzuheben. Dann soll sie den linken Arm wieder herunternehmen. Carla steht mit ausgestrecktem rechtem Arm vor dem Arzt, der nun die Handschuhe auszieht und ihre Brüste betatscht. Carla traut sich nicht, sich zu beschweren, sie traut sich nicht einmal, den rechten Arm wieder herunterzunehmen. Der Arzt lacht und macht eine abfällige Bemerkung über Carlas Figur. Das Lachen wird erwidert. Jetzt erst bemerkt Carla den zweiten Mann im Raum. Er trägt einen grauen Anzug und eine blaue Krawatte. Aber der Arzt spricht ihn mit »Maggiore« an. Er muss also ein Militär oder ein Carabiniere sein. Er sitzt hinter einem Schreibtisch und scheint Akten zu bearbeiten. Er lacht und schaut dabei nicht von seiner Arbeit auf. Als der Arzt seine »Untersuchung« beendet hat, winkt der Mann im Anzug Carla heran. Sie soll ein Schriftstück unterschreiben. Carla versucht sich zu konzentrieren, versucht zu verstehen, was da geschrieben steht. Mit ihrer Unterschrift erklärt sie, in der Kaserne von Bolzaneto gut behandelt worden zu sein. Außerdem erklärt sie, dass sie ihre Familie nicht habe benachrichtigen und auch keinen Anwalt habe hinzuziehen wollen. Als Carla sich weigert, das Schriftstück zu
Weitere Kostenlose Bücher