Terror: Thriller (German Edition)
unterschreiben sagt der Mann im Anzug lächelnd zu ihr:
»Du bist doch aus Padua, nicht wahr?«
Carla nickt.
»Ich bin auch aus Padua. Ich weiß, wo du wohnst. Wenn du das nicht unterschreibst, komme ich dich und deine Eltern besuchen, irgendwann in der Nacht.« Er lächelt die ganze Zeit. Plötzlich klingelt das Handy, das vor ihm auf dem Tisch liegt. Carla erkennt die Melodie: Es ist »faccetta nera«, das Kampflied der Faschisten. Dieser Mann wird später nicht einmal angeklagt werden. Obwohl ihn viele der in Bolzaneto Inhaftierten genau beschreiben, kann der Mann nicht identifiziert werden. Auch Carla kennt seinen Namen nicht, aber sie wird sein Gesicht nie vergessen: die Narbe über der rechten Augenbraue, die durchdringenden grauen Augen.
Lenzari, Freitag, 4. Juni 2010, 17:30 Uhr
Fabrizio stand regungslos im Zimmer. Er ließ die Schultern hängen, was seinen Buckel stärker als sonst hervortreten ließ. Die Ausdünstung von Blut setzte sich in seiner Nase fest. Es roch hier drin wie in einem Schlachthof. Die Glocken dröhnten. Alles in ihm sträubte sich dagegen, doch schließlich trat er zur Leiter und untersuchte Elisas Leiche. Ihre linke Hand und ihr rechter Fuß waren abgetrennt worden. Die beiden Körperteile lagen ordentlich nebeneinander unter der Leiter, wie Pantoffeln unter dem Bett. Elisas Arme und Beine waren mit schwarzem Tape an der massiven, etwa 2,50 Meter hohen Holzleiter festgebunden. Der Dreiecksform der Leiter war es geschuldet, dass man ihre Oberarme an den Holmen festgemacht und ihre Beine weit auseinandergerissen hatte, um die Unterschenkel ebenfalls an den Holmen der Leiter befestigen zu können. So erinnerte Elisa Noès Körper an jene Spielzeughampelmänner aus Pappe, deren Glieder in die Höhe schnellten, wenn man an einer Schnur zog. Nur dass Elisa Noès Körper sich nie mehr bewegen würde. Der rechte vordere Fuß der Leiter war zwischen Heizkörper und Wand festgekeilt worden, um sie am Umfallen zu hindern. Fabrizio entdeckte erst jetzt, dass auch Elisa Noès Stirn mit schwarzem Tape an der Leiter befestigt worden war. Es sah aus als trage sie ein Stirnband. Ihr Kopf wurde auf diese Weise daran gehindert, auf die Brust zu sinken, und so konnte Fabrizio die Wunde sehen, die zu Elisa Noès Tod geführt hatte: Man hatte ihr mit einem scharfen Gegenstand Speise- und Luftröhre durchtrennt.
Fabrizio wurde schlecht. Er stellte sich ans Fenster und atmete tief durch. Er hatte schon viel gesehen in seiner Zeit als Polizist, aber das war mit Abstand das Schlimmste.
Cesare trat mechanisch zu seinem Kollegen. Als er sich alles angesehen hatte, sagte er mit rauer Stimme:
»Wir brauchen Verstärkung.«
Fabrizio wandte sich zu Cesare um. Für einen kurzen Moment sahen sich die beiden Männer in die Augen.
»Wer tut so etwas?«, fragte Fabrizio.
»Jemand, der voller Hass ist«, antwortete Cesare und holte sein Handy aus der Tasche.
»Wer soll denn bitte Elisa Noè derart hassen, dass er … dass er so was mit ihr veranstaltet?«
»Das müssen wir herausfinden.« Cesare drückte eine Taste seines Handys, stutzte und sah prüfend auf das Display.
»Kein Netz«, sagte er dann. Fabrizio holte sein Handy hervor und stellte fest, dass auch er keinen Empfang hatte. Sie mussten die Zentrale also per Funk informieren.
»Ich geh runter«, sagte Fabrizio schnell. Er sah Cesare an, dass der den Raum auch gerne verlassen hätte, aber Cesare entgegnete nur: »Okay. Beeil dich.«
Fabrizio stürmte aus dem Zimmer, vorbei am verwaisten Krankenzimmer der Tante von Elisa Noè, die Treppen hinunter. Die Glocken waren hier nur noch gedämpft zu hören, was wohltat. Fabrizio stürzte aus dem Haus. Der Nebel hatte sich ein wenig gelichtet. Leichter Nieselregen hatte eingesetzt. Die Eisentür quietschte wieder, als Fabrizio sie hinter sich zuzog. Als er den Kirchplatz erreicht hatte, hielt er sich die Ohren zu. Der Lärm der Glocken war unerträglich. Jetzt erst, mit einer gewissen Zeitverzögerung, kam das Entsetzen mit ganzer Wucht. Fabrizio spürte, dass er zitterte. Die durchschnittene Kehle, die blutverschmierte Wand, die abgetrennten Gliedmaßen. Die Bilder deckten alles andere zu. Fabrizio war unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen.
Er schaute an der Fassade des Hauses hinauf. Da oben stand die Leiter mitten in der Blutlache. Die Spurensicherung fiel ihm ein. Sie konnten Elisa nicht von der Leiter nehmen, bevor die Spurensicherung da wäre. Er musste die Zentrale informieren. Verdammter
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