Terror: Thriller (German Edition)
gesehen.
»Ich habe mir überlegt, wie das hier wohl abgelaufen ist«, sagte Cesare. Fabrizio bewunderte ihn dafür, dass er bereits wieder in der Lage war, analytisch an die Sache heranzugehen. Er selbst konnte das noch nicht. Es bereitete ihm schon genug Mühe, Cesares Überlegungen zu folgen.
»Meiner Meinung nach gibt es zwei Möglichkeiten«, fuhr Cesare fort, »entweder war Elisa hier oben im Zimmer und hat Kuchen gegessen, als der Täter sie überraschte. Aber ehrlich gesagt glaube ich das nicht. Ich glaube nicht, dass Elisa dieses Zimmer genutzt hat.«
Fabrizio sah sich im Raum um. Er versuchte, sich alles wegzudenken, was nicht zu dem Zimmer gehörte – die Leiter, die Blutspuren und der Kuchenteller. An der linken Wand stand ein Schrank, um den kleinen Tisch herum waren drei Stühle angeordnet. Auf der rechten Seite des Raums stand ein Sofa. Die Kissen darauf waren mit Katzenmotiven bestickt und ordentlich aufgeschüttelt. Keine persönlichen Gegenstände, keine Blumen, kein Nippes wie in den unteren Räumen. Cesare mochte recht haben, außer dem Kuchenteller deutete nichts darauf hin, dass dieses Zimmer genutzt wurde. Andererseits wurde hier regelmäßig geputzt. Nirgendwo war Staub zu sehen.
»Ich glaube, dass Elisa unten in der Küche saß«, Cesares Stimme klang energisch, »der Täter hat die Tür aufgebrochen, ist durch die Diele gestürmt und hat Elisa in der Küche überwältigt, vielleicht auch in der Diele, falls sie verdächtige Geräusche gehört hat und ihrem Mörder entgegenging. Sie hat in der Küche Kaffee getrunken, die Tasse steht noch unten auf dem Tisch.«
»Du glaubst, sie hat auch den Kuchen unten in der Küche gegessen?« Langsam war Fabrizio wieder in der Lage, logisch zu denken.
»Ja«, sagte Cesare, »das glaube ich.«
»Aber das würde ja heißen, der Täter hat Elisa gezwungen, mit ihm in den zweiten Stock zu gehen, hat den Kuchenteller mitgenommen, hat die Leiter aufgebaut, die eventuell gar nicht hier im Raum war …«
»Oder er wusste, dass die Leiter hier oben steht und hat Elisa gezielt hierher geführt«, unterbrach ihn Cesare.
»Das würde bedeuten, er hat sich im Haus ausgekannt.«
Fabrizio sah sich im Raum um.
»Aber wozu das alles?«
»Der Täter wollte, dass Elisa Noè hier oben im Fenster gesehen wird.«
»Und der Kuchen?«, fragte Fabrizio.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie in dieser Situation den Wunsch hatte, ein Stück Kuchen zu essen.« Cesare machte eine bedeutungsschwere Pause. »Ich denke, der Täter hat sie dazu gezwungen.«
Fabrizios Blick wanderte vom Tisch mit dem Kuchenteller über die Leiter, an der Elisa Noès Leiche hing, über die riesige Blutlache am Boden, bis zur Wand auf der linken Seite des Raums. Dort hatte der Mörder mit Elisas Blut eine Nachricht hinterlassen. Es waren mehrere Worte.
»Das einzige, was wir mit Sicherheit sagen können, ist, dass der Mörder Arabisch schreiben kann«, sagte Fabrizio.
»Und dass er noch da draußen ist«, ergänzte Cesare. »Es gibt hier nur einen Menschen, der Arabisch beherrscht.«
»Ja.« Fabrizio nickte. »Wir müssen mit ihm sprechen.«
Berlin, Freitag, 19. Februar 2010, 9:43 Uhr
An der S-Bahn-Haltestelle Mexikoplatz stiegen sie aus. Marc warf einen Blick auf die Bahnhofsuhr: 9:43 Uhr. Sie waren gut in der Zeit. Wie viel Platz hier war, wunderte er sich, als sie aus dem S-Bahnhof ins Freie traten. Welch ein Gegensatz zum engen und überfüllten Prenzlauer Berg. Er versuchte sich zu erinnern, wann er zum letzten Mal in Zehlendorf gewesen war. Das musste über zehn Jahre her sein. Den Anlass hatte er vergessen.
»Hier lang«, sagte Klaus. Er deutete nach rechts. Herrschaftliche Häuser säumten die Beerenstraße. Es schneite.
»Gediegenes Wohnen, was?« Klaus blinzelte aus geröteten Augen in die Gegend. Es war spät geworden gestern. Und sie hatten zu viel getrunken. Am Vormittag hatte Marc sein Nivea-Treffen gehabt. Während die beiden engagierten jungen Produktmanager die aktuellsten Ergebnisse ihrer Marktforschung erläuterten, vermochte Marc an nichts anderes zu denken als an den Mann, der auf dem Foto hinter Rudolf Hochhausen stand. War das wirklich der Mann aus Lenzari? Die Analyse der Marktforschung hatte im Hinblick auf die neue Nivea-Kampagne ergeben, dass alles beim Alten bleiben sollte, um die Kunden nicht zu verschrecken. Trotzdem sollte aber alles irgendwie jünger, frischer und zeitgemäßer aussehen. Das Ergebnis der fast zweistündigen Debatte war, dass man
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