Terror: Thriller (German Edition)
an der Wand, ein Handtuchhalter darüber. Der eigentliche Toilettenbereich lag vor ihnen und war durch eine weitere Tür abgetrennt. Carla stieß die Tür auf. Sie sah die Gitter vor dem Fenster. Auf diesem Wege würden sie nicht hier rauskommen. Verdammt!
»Willst du aufs Klo gehen, Anna?«
Anna schüttelte nur den Kopf.
»Gut. Dann hör mir jetzt genau zu.« Sie zog Anna zu sich und flüsterte ihr ins Ohr:
»Wir gehen jetzt nebeneinander nach draußen. Ich werde meine Hand auf deine Schulter legen. Wenn ich dich feste kneife, dann schreist du. Ganz laut, ja?«
Anna nickte.
»Und dann zeigst du nach vorne und schreist: Da ist er! Hast du verstanden?«
Anna nickte wieder. Carla war sich nicht sicher, aber sie hatte keine Wahl. Sie öffnete die Tür, legte Anna die Hand auf die Schulter und schob sie nach draußen.
»Das ging ja schnell«, sagte Maresciallo Solina und lächelte. Er stand mit dem Rücken zum Haupteingang. Der längste Teil des Flurs lag hinter ihm. Carla brachte sich und Anna in Position. Sie standen Solina jetzt genau gegenüber. Als Carla das Mädchen in die Schulter kniff, schrie sie los. Es war, als entlade sich in diesem Schrei alles, was sich bei dem Kind angestaut hatte. Es war ein Schrei aus der Hölle. Carla bekam eine Gänsehaut.
»Da ist er!«, rief Anna.
Solina starrte Anna erschrocken an. Dann sah er hilfesuchend zu Carla.
»Was ist los? Was hat sie gesagt?«
Anna zeigte zur Tür.
»Da war ein Mann. Anna hat ihn offenbar erkannt.«
Solina fuhr herum. Zwei Krankenschwestern verteilten ganz hinten das Abendessen. Sonst war der Flur menschenleer.
»Er ist gerade zur Türe raus«, rief Carla.
Solina stürmte los.
»Komm, hier entlang!« Carla packte Annas Arm und rannte mit ihr in die entgegengesetzte Richtung. Sie schaute sich nicht nach Solina um. Es war egal. Sie hatten nur diese Chance. Nach zehn Metern hatten sie den Notausgang erreicht.
Lieber Gott, lass diese Tür offen sein! Carla drückte die Klinke.
Lenzari, Freitag, 4. Juni 2010, 17:42 Uhr
Fabrizio stürmte die Treppe hinauf. Er atmete schwer, als er den Raum betrat, in dem Elisa Noè geschlachtet worden war. Cesare hatte ihm den Rücken zugewandt. Er stand mitten im Zimmer und machte mit seinem Handy Fotos vom Tatort.
»Antonio ist auch tot!« Fabrizios Stimme überschlug sich. Cesare fuhr herum. Seine Miene verriet blankes Entsetzen.
»Er liegt hinter der Kirche. Mit durchgeschnittener Kehle.« Fabrizio ging zum Fenster. Er vermied dabei, Elisa Noè anzusehen. Cesare trat zu ihm. Er hatte noch kein Wort gesagt. Durch den Nebel hindurch war der untere Teil der Abwasserrinne zu sehen. Aber Antonios Leiche wurde vom Glockenturm verdeckt.
»Er liegt in der Abwasserrinne.« Fabrizio zeigte nach unten. »Eine Hand und ein Fuß sind abgetrennt worden.« Er machte eine Kopfbewegung in Richtung Elisa Noè. »Wie bei ihr.«
»Hast du die Zentrale verständigt?«, fragte Cesare.
»Jemand hat das Auto und das Funkgerät sabotiert.«
Cesare starrte seinen Kollegen ungläubig an. Er stand neben der Leiter. Aus Fabrizios Perspektive sah es so aus, als schaue Elisa Noè ihm über die Schulter. Nun schaute Fabrizio ihr doch ins Gesicht. Er bemerkte die Kuchenkrümel in ihrem linken Mundwinkel.
»Das heißt, der Mörder läuft noch da draußen rum?«
Fabrizio nickte.
»Ja. Und wir kommen hier nicht weg und haben keine Möglichkeit, Verstärkung zu holen.«
Einen Moment lang war es ganz still im Raum. Unerträglich still. Fabrizio wünschte sich die Kirchenglocken zurück. Da packte ihn Cesare am Arm.
»Schau dir das mal an.«
Er führte ihn zur linken Seite des Raums. Die Wand neben dem Kleiderschrank war übersät mit grotesk geformten Blutspritzern. Es dauerte eine Weile, bis Fabrizio realisierte, dass es sich um Schriftzeichen handelte. Jemand hatte mit Elisa Noès Blut etwas an die Wand geschrieben. Fabrizio konnte die Schrift nicht lesen, aber es mussten arabische Schriftzeichen sein. Fabrizio sagte nichts. Er hatte nichts zu sagen. Sein Kopf war leer.
»Und noch was ist mir aufgefallen.« Cesare ging zu einem kleinen Tisch auf der anderen Seite des Raums. Fabrizio folgte ihm. Der Tisch war rund. Eine weiße gehäkelte Tischdecke lag darauf. Auf dem Tisch stand ein Teller, auf dem zwei Stücke eines Fertigkuchens lagen. Das eine Stück war zur Hälfte gegessen worden.
»Elisa Noè hat Kuchenkrümel im Mundwinkel. Ich weiß nicht, ob du es gesehen hast …«
Fabrizio nickte. Ja, er hatte es
Weitere Kostenlose Bücher