Terror: Thriller (German Edition)
den rein weißen Bademantel, den die Models in früheren Kampagnen immer getragen hatten, durch den etwas dunkler getönten Superwuschel Ivory ersetzte. Die Productmanager feierten dieses Ergebnis als Beginn einer neuen Ära.
Dann hatte Klaus angerufen und ihm mitgeteilt, dass sich der Journalist Hans Kersting mit ihnen treffen wollte. Klaus wusste, dass Kersting sich eingehend und kritisch mit Verteidigungsminister Hochhausen und seiner Karriere auseinandergesetzt hatte. Er kannte ihn flüchtig und hatte ihm am frühen Morgen das eingescannte Foto per Mail geschickt. Gegen Mittag hatte Kersting zurückgerufen.
»Er klang aufgeregt«, hatte Klaus am Telefon berichtet.
»Was hat er gesagt?«
»Nichts. Er meinte, er wolle das nicht am Telefon besprechen. Wir sollen morgen früh zu ihm kommen.«
Jetzt waren sie auf dem Weg zu Hans Kersting. Die Beerenstraße war lang. Auf der rechten Straßenseite stand ein Krankenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht, das nervös über die Fassade eines Bungalows zuckte. Die Tür am Heck des Krankenwagens stand offen, sodass Marc einen Blick auf die weiße Ordnung darin werfen konnte. Kein Mensch war zu sehen.
Das Haus mit der Nummer siebzehn passte überhaupt nicht in die sonst so städtische Umgebung. Es war zugewuchert von wildem Wein und versteckte sich hinter Büschen und Bäumen. Eine Kiesauffahrt führte links am Haus vorbei auf niedrige Flachdachbauten zu, die aussahen wie Stallungen.
Klaus brummte irgendwas von Zehlendorfs ländlicher Prägung, aber Marc ging nicht darauf ein. Die Haustür schien auf der Rückseite des Gebäudes zu liegen, also gingen sie die Kiesauffahrt entlang zum Innenhof. Eine getigerte Katze flüchtete ins Gebüsch. Jetzt hörten sie wuchtige Schläge. Ein Mann um die sechzig hackte im Hof Feuerholz. Er trug eine Daunenweste und Jeans, die er in seine Gummistiefel gesteckt hatte. Seine Bewegungen waren kraftvoll, er war es offensichtlich gewohnt, mit der Axt umzugehen. Der Mann hatte sie bemerkt, ließ die Axt sinken und wandte sich zu ihnen um. Er hatte durchdringende blaue Augen und scharf geschnittene Gesichtszüge.
»Guten Morgen … Herr Kersting?« Marc trat auf ihn zu und reichte ihm die Hand. Kerstings Händedruck war kräftig. Er begrüßte Marc und Klaus freundlich, dann warf er ein paar Holzscheite in einen Weidenkorb und ging den beiden voran auf das Haus zu. Der Schneefall wurde stärker.
Zehn Minuten später saßen sie am großen Esstisch im Wohnzimmer. In ihrem Rücken loderte das Kaminfeuer. Vor ihnen auf dem Tisch standen drei große Tassen Kaffee. Marc sah sich um. Das alte Landarbeiterhäuschen war geschmackvoll renoviert worden, wirkte licht und großzügig, was von außen nicht zu vermuten gewesen war.
Kersting holte einen Aktenordner aus dem Bücherregal, das die gesamte linke Seite des Raums einnahm, und wandte sich dann zu Marc und Klaus um.
Er wirkte ernst und angespannt, als er sich auf den Stuhl fallen ließ. Er öffnete den Ordner und holte Papiere aus einer Klarsichtfolie. Marc warf einen Blick darauf: Es waren zwei leicht vergilbte DIN -A4-Seiten, eng mit Schreibmaschine beschrieben. Kersting schloss den Ordner wieder und legte die Papiere darauf.
»Sie müssen mir jetzt bitte genau erzählen, wo sie den Mann auf dem Foto gesehen haben«, sagte er.
Marc erzählte so knapp wie möglich von seiner Begegnung mit dem Mann in Lenzari, von der Sicherheitsfirma in Freudenstadt und der Videoaufzeichnung.
»Kann ich das Video sehen?« Kerstings Stimme klang belegt.
»Ich habe leider nur ein Video-Still. Aber das zeigt den Mann ganz gut.«
»Hab ich Ihnen das Bild nicht geschickt?«, fragte Klaus.
»Nein, ich habe nur das Schwarz-Weiß-Foto bekommen, das mit Rudolf Hochhausen.«
Marc griff in die Tasche und reichte Kersting das Video-Still des Mannes und seines Begleiters, auf dem zu sehen war, wie sie vom Haus des Marokkaners auf die Kamera zugingen.
Kersting betrachtete das Foto einen Moment lang schweigend. Schließlich schüttelte er den Kopf, wie um etwas Unangenehmes abzuwehren. »Unglaublich«, sagte er leise und sah Marc auf eine Weise an, dass der plötzlich einen dicken Kloß im Hals spürte.
»Wissen Sie, wer dieser Mann ist?«, fragte Marc.
»Gegenfrage: Wo haben Sie das Foto mit dem Verteidigungsminister her?«
»Das ist von einem Bekannten«, schaltete sich Klaus ein, »ein Sammler, er kauft alle alten Fotos auf, die er kriegen kann. Er ist immer meine erste Anlaufstelle, wenn es um Archivmaterial
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