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Terror: Thriller (German Edition)

Terror: Thriller (German Edition)

Titel: Terror: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Maurer
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von der Seite ins Gesicht. Auf Fabrizios Sonnenbrille hatte sich ein schmieriger Film gebildet. Er konnte fast nichts mehr sehen. Es war Zeit, die Brille abzunehmen.

Albenga, Freitag, 4. Juni 2010, 16:40 Uhr

    Die Viale Martiri della Libertà lag bereits im Schatten, als der Jeep der Carabinieri vor der besten Eisdiele Albengas vorfuhr. Carla Vazzoler sah ihn durch die Scheibe, drückte Luca einen Kuss auf die Wange, legte sich das Palästinensertuch um den Hals und zog ihre Jacke an.
    »Du rufst rechtzeitig an, ja?« sagte Luca.
    Eigentlich hatten sie heute ins Kino gehen wollen.
    »Mach ich!« Aber wenn sie ehrlich war, glaubte sie nicht daran, dass sie es rechtzeitig zum Beginn des Films schaffen würde.
    Luca warf einen skeptischen Blick auf den Jeep, der am Straßenrand wartete. Eben wurde die Beifahrertür geöffnet. Ein Carabiniere stieg aus, lehnte sich lässig an den Kotflügel und zündete sich eine Zigarette an. Luca deutete auf Carlas Palästinensertuch.
    »Willst du das nicht hierlassen?« fragte er.
    »So weit kommt’s noch«, knurrte Carla. Aber sie war unsicher. Sie warf Luca eine Kusshand zu und ging nach draußen.
    »Signorina Vazzoler, buona sera.« Der Carabiniere warf die Zigarette in den Rinnstein, hielt ihr die Tür auf und ließ sie einsteigen. Carla nahm im Fond des Jeeps Platz. Der Carabiniere setzte sich neben den Fahrer und wandte sich zu Carla um:
    »Ich bin Maresciallo Solina.« Er machte eine Kopfbewegung zum Fahrer. »Sein Name ist unwichtig, aber ich nenne ihn trotzdem: Brigadiere Baiardo.« Das sollte ein Witz sein, deshalb lächelte Carla höflich. Baiardo nickte Carla über den Rückspiegel zu und gab Gas. Sie fuhren schweigend. Carla stellte plötzlich fest, dass sie ihre Hände unter die Oberschenkel geklemmt hatte. Unbewusst. Schnell zog sie sie hervor. Ihre Handflächen waren schweißnass. Sie merkte, dass sich ein Gefühl der Panik in ihr ausbreitete, und versuchte, sich auf den Rhythmus ihres Atems zu konzentrieren. Die Uniformen, die Stiefel, der Rauch, der durch die Straßen zieht. Sie wollte sich nicht den Bildern überlassen, die sie immer wieder heimsuchten. Sie atmete tief durch und lehnte sich nach vorne.
    »Können Sie mir sagen, worum es geht? Der Beamte am Telefon hat mir nur gesagt, dass ich mit einem deutschen Mädchen sprechen soll, das wahrscheinlich traumatisiert ist.«
    Der Fahrer fixierte sie im Rückspiegel. »Mehr wissen wir auch nicht.« Damit war das Gespräch beendet.

    Als sie hinter den beiden Carabinieri durch den Haupteingang des Krankenhauses von Pieve stürmte, war es 17:15 Uhr, und Carla hoffte, ihre Angst kontrollieren zu können. Der Fahrer hielt ihr die Tür auf. »Pronto Soccorso« stand auf der Tür. Notaufnahme. Sie gingen geradeaus den Flur hinunter. Die schweren Stiefel der Carabinieri knallten auf dem Steinfußboden. Wie Schüsse. Die Beamten hatten Carla in die Mitte genommen, aus Höflichkeit wahrscheinlich. Carla versuchte, sich auf das Muster des Steinbodens unter ihren Füßen zu konzentrieren. Das ist kein Gefängnisflur, das ist nur der Flur eines Krankenhauses, das ist nur der Flur eines … Du bist ihnen ausgeliefert. Wenn sie wollen, können sie alles mit dir tun, und keiner wird dir helfen .
    »Guten Abend, Signorina«, eine Hand streckte sich ihr entgegen. Sie sah auf, sah den weißen Arztkittel, das Namensschild auf der Brust: Dott. Bonifazio; markante Nase, modische Brille, alles drum herum schlaff und müde.
    »Sie sind die Psychologin?« Dottor Bonifazio sah Carla prüfend an.
    »Nein«, schaltete sich Maresciallo Solina ein, »in der Eile konnten wir keine Psychologin auftreiben, die Deutsch spricht. Signorina Vazzoler ist Übersetzerin.«
    In der Eile habt ihr überhaupt niemand anderen auftreiben können, dachte Carla. Sie wusste genau, dass sie den Job nur bekommen hatte, weil sie zufällig gerade in der Nähe und sofort einsatzbereit war.
    Carla war fünfundzwanzig Jahre alt, hatte ihre Dolmetscher-Ausbildung beendet und beschlossen, dieses Land zu verlassen. Dafür brauchte sie Geld. Deshalb nahm sie im Moment jeden Job an. Bis vor zwei Jahren hatte sie noch die Hoffung gehabt, dass wenigstens einige der Verantwortlichen für den Horror, den sie erlebt hatte, zur Rechenschaft gezogen würden. Doch im Sommer 2008 war klar, dass von den fünfzehn Verurteilten – Ärzte, Carabinieri, Polizisten – keiner ins Gefängnis kommen würde. Das hatte Berlusconi durch seine Gesetzgebung verhindert. Und jetzt war er wieder

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