Terror: Thriller (German Edition)
Funkgerät.
»Wagen drei an Zentrale.«
»Zentrale hört.«
»Wir brauchen einen Krankenwagen auf der Straße von Vessalico nach Lenzari.« Fabrizio überlegte kurz, ob er Verstärkung anfordern sollte, entschied sich dann aber dagegen. Sie wussten ja nicht einmal, was passiert war. Cesare war sich nicht sicher gewesen, ob er das Mädchen richtig verstanden hatte. Sein Deutsch war einfach zu schlecht. »So viel Blut« – mehr hatte sie nicht gesagt. Was sollte das? Nein, es war besser, erst einmal hochzufahren und sich umzusehen. Fabrizio starrte nach draußen in den Regen. Sollten sie noch einmal versuchen, Anna dazu zu bringen, sich ins Auto zu setzen? Cesare war völlig durchnässt. Er müsste ihn zumindest fragen, ob er ihn ablösen sollte. Aber Cesare würde bei Anna bleiben wollen, das wusste Fabrizio. Ein Windstoß fuhr in die Olivenbäume am Berghang über der Straße. Ihre Blätter glitzerten silbern, und plötzlich hob der Regenschirm vom Boden ab, schwebte über Anna hinweg, kam einen Meter weiter wieder auf der Straße auf und kletterte dann – wie in Zeitlupe – über die Leitplanke hinweg. Er trudelte zwischen den Olivenbäumen hindurch und verschwand hinter der Böschung. Anna lag mit geschlossenen Augen auf der Straße. Sie schien nicht zu bemerken, dass kein Regenschirm mehr da war, dass ihr der Regen ins Gesicht prasselte.
Fabrizio nahm das Funkgerät wieder auf.
»Wagen drei an Zentrale.«
»Zentrale hört.«
»Die Verletzte zwischen Vessalico und Lenzari …«
»Krankenwagen ist unterwegs.«
»Die Verletzte ist ein fünfjähriges Mädchen. Sie spricht nur Deutsch. Wir müssen wissen, was mit ihr passiert ist. Schickt bitte einen Dolmetscher ins Krankenhaus.«
»Verstanden. Welches Krankenhaus?«
»Vermutlich Pieve. Ich geb’s euch durch, sobald der Krankenwagen da ist. Aber organisiert schon mal den Übersetzer. Das Mädchen ist aus Lenzari. Wir fahren hoch. Ende.«
»Verstanden. Ende.«
Um 16:12 Uhr kam der Krankenwagen. Er hielt direkt hinter dem Alfa Romeo der Carabinieri und versperrte die Straße. Ein entgegenkommender Wagen würde nicht vorbeikommen, die Straße war zu schmal. Aber seit Anna vor ihrer Kühlerhaube aufgetaucht war, war ihnen kein Wagen mehr entgegengekommen. Genau genommen war ihnen auf der ganzen Strecke niemand entgegengekommen. Fabrizio sah im Rückspiegel das missmutige Gesicht des Sanitäters, der eben aus dem Wagen stieg, die Fahrertür zuknallte und sich die Kapuze seines Regencapes über den Kopf zog. Es war Davide. Sie hatten schon ein paar Einsätze zusammen gemacht. Den Beifahrer, der jetzt hinter Davide auftauchte, kannte Fabrizio nicht. Er warf einen letzten Blick in den Rückspiegel, bevor er die Tür öffnete und in den strömenden Regen trat.
»Ciao Davide.«
»Ist das eine Scheiße, wo soll ich denn hier wenden?«
»Ich würde zurücksetzen und …«
»Das ist wie ein Sechser im Lotto, hier vor ein Auto zu laufen. Hier ist doch normalerweise keine Sau unterwegs … Scheiße …« hörte Fabrizio ihn noch fluchen, der Rest ging im prasselnden Regen unter. Davide und sein Kollege gingen mit der Trage zu Anna. Cesare sah auf, als die Sanitäter zu ihm traten und nickte ihnen zu. Er versuchte aufzustehen, was ihm sichtlich Mühe bereitete. Davide beugte sich zu Anna hinunter.
»Wieso lasst ihr die Kleine hier im Regen liegen?«
»Sie hatte Angst und hat sich gewehrt«, sagte Cesare, »geht bitte behutsam mit ihr um.«
Davide brummte irgendetwas Unverständliches, aber er lächelte Anna freundlich an. Zum Erstaunen der Carabinieri ließ sich Anna widerstandslos von Davide untersuchen.
»Was fehlt ihr?«, fragte Fabrizio.
»Ein paar Kratzer hat die, sonst nichts«, knurrte Davide. Er gab seinem Kollegen mit dem Kopf ein Zeichen. Sie hoben Anna auf die Trage. Voller Angst sah sie vom einen zum anderen und schloss die Augen wieder. Ohne etwas zu sagen. Aber sie ließ es geschehen.
»Sie hat mehr abbekommen als ein paar Kratzer«, sagte Cesare mit leiser Stimme, aber so voller Überzeugung, dass Davide ihm nicht zu widersprechen wagte.
»Auf jeden Fall hättet ihr sie ins Auto setzen müssen«, murmelte er. Sie hoben die Trage an.
»Kann jemand von euch Deutsch?«, fragte Fabrizio. Aber die beiden Sanitäter schüttelten die Köpfe.
»Wo bringt ihr sie hin?«
»Nach Pieve.« Davide nickt ihnen zu. Fabrizio und Cesare sahen den Sanitätern nach, wie sie Anna zum Krankenwagen brachten. Der Wind wurde stärker. Der Regen schlug ihnen
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