Terror
Uhr.
Erfüllt von einer Wut, die er nicht genau fassen konnte, wandte sich Crozier um und stapfte aus dem schwarzen Zimmer. Im weißen Raum blieb er stehen und rief mit donnernder Stimme nach einem Offizier – nach irgendeinem Offizier.
Auf schwarzen Metallhufen, die unter schwere Stiefel gespannt waren, eilte ein Satyr mit langem Pappmachégesicht und einer priapischen, aus einem roten Gürtel aufragenden Rute herbei.
»Runter mit der blöden Maske, verdammt!«
»Aye aye, Sir.« Der Satyr schob die Maske nach oben, und darunter kam Thomas Farr zum Vorschein, der Großtoppmann der Terror . Eine Chinesin mit Riesenbrüsten senkte ihre Larve, und der Kapitän erkannte das runde, dickliche Gesicht von John Diggle. Neben dem Koch stand eine gigantische Ratte, unter deren Maul die Züge von Leutnant James Walter Fairholme von der Erebus sichtbar wurden.
»Was zum Teufel soll das bedeuten?«, brüllte Crozier.
Mehrere phantastisch verkleidete Gestalten wichen zu den weißen Wänden zurück.
»Was genau, Kapitän Crozier?«, fragte Leutnant Fairholme.
»Das da!« Crozier hob beide Arme, um auf die weißen Segel, die oben verlaufenden Taue, die Fackeln … auf alles zu zeigen.
»Das hat gar nichts zu bedeuten, Sir«, erwiderte Thomas Farr. »Es ist einfach nur … Karneval.«
Bis zu diesem Augenblick hatte Crozier Farr immer für einen zuverlässigen, vernünftigen Matrosen und einen fähigen Großtoppmann gehalten. »Mr. Farr, haben Sie mitgeholfen, hier die Taue und Segel zu spannen?«
»Ja, Sir.«
»Und Sie, Leutnant Fairholme, haben Sie von diesem … Tierkopf … gewusst, der dort hinten auf so bizarre Weise zur Schau gestellt wird?«
»Ja, Sir.« Das lange, wettergegerbte Gesicht des Leutnants verriet keine Furcht vor dem Zorn des Expeditionskommandanten. »Hab ihn selbst geschossen. Gestern Abend. Zwei sogar. Ein Muttertier und ihr Junges, ein fast ausgewachsenes Männchen. Um Mitternacht wollen wir das Fleisch braten, das wird ein richtiges Fest, Sir.«
Crozier starrte die Männer an. Er spürte sein klopfendes Herz in der Brust und den Zorn, in den sich noch der Whiskeydunst des zurückliegenden Tages und die Gewissheit mischten, dass er ab jetzt nichts mehr zu trinken hatte. Es war ein Zorn, der ihn an Land schon oft zu Handgreiflichkeiten verleitet hatte.
Er musste sich beherrschen.
Er wandte sich an die dicke Chinesin mit den Riesenbrüsten. »Mr. Diggle, Sie wissen doch, dass uns die Leber der Eisbären nicht bekommen ist.«
Diggles Backen wackelten genauso heftig wie der ausgestopfte Busen darunter. »Selbstverständlich, Sir. In der Leber von diesem
Vieh ist was Fauliges drin, was wir auch durch Erhitzen nicht vertreiben können. Bei dem Festmahl heute Abend gibt es weder Leber noch Lunge, Sir, das versichere ich Ihnen. Nur frisches Fleisch. Viele Hundert Pfund frisches Fleisch, wunderbar knusprig gebrutzelt, Sir.«
Leutnant Fairholme meldete sich wieder zu Wort. »Die Männer begreifen es als gutes Zeichen, dass wir auf die zwei Bären gestoßen sind und sie töten konnten, Kapitän Crozier. Alle freuen sich schon auf das Festmahl um Mitternacht.«
»Und warum erfahre ich erst jetzt von den erlegten Bären?« Noch immer schwang ein drohender Ton in Croziers Stimme mit.
Offizier, Großtoppmann und Koch sahen sich an. Auch Vögel, Tiere und Feen in der Nähe tauschten Blicke aus.
»Wir haben die Bärin und ihr Junges erst gestern am späten Abend geschossen, Sir«, erwiderte Fairholme schließlich. »Ich glaube, heute waren nur Leute von der Terror unterwegs hierher, um bei den Vorbereitungen für den Maskenball mitzuarbeiten – keine Boten von der Erebus in die entgegengesetzte Richtung. Entschuldigen Sie bitte, dass ich es Ihnen nicht gemeldet habe, Sir.«
Crozier wusste, dass dieses Versäumnis eigentlich Fitzjames anzukreiden war. Auch den anderen war dies natürlich klar.
»Also schön.« Allmählich bekam er sich wieder in den Griff. »Machen Sie weiter.« Doch als die Männer ihre Masken wieder übers Gesicht schoben, fügte er hinzu: »Aber gnade Ihnen Gott, wenn Sir Johns Uhr auch nur im Geringsten beschädigt wird.«
»Jawohl, Sir«, schallte es von den Kostümierten um ihn herum zurück.
Crozier warf einen letzten, fast furchtsamen Blick zurück in Richtung des schwarzen Gemachs. Kaum etwas in seinen einundfünfzig Jahren häufig wiederkehrender Melancholie hatte ihn so bedrückt wie dieser düstere Raum. Dann durchschritt er
nacheinander das orangefarbene, das
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