Terror
Gläsern Whiskey hatte Crozier erlaubt, dass weitere Säcke Kohle und Fässer mit Öl hinaus zu den Feiernden geschafft wurden, damit sie nicht erfroren. Überall in der minus siebzig Grad kalten Nacht prasselten und brannten jetzt Fackeln und dreifüßige Kohlenpfannen.
Jeder für sich in trübsinniges Brüten versunken, hatten die zwei Kapitäne kaum miteinander geredet. Aber sie waren mehrmals unterbrochen worden. Leutnant Irving kündigte seinen Aufbruch mit der Wachablösung zur Terror an; Unterleutnant Hornby meldete sich mit seiner Wache zur Stelle; andere Offiziere in lächerlicher Maskierung berichteten, dass beim Karneval alles zum Besten stand; mehrere Posten und Offiziere der Erebus teilten mit, dass sie ihren Wachdienst antraten oder beendet hatten; der Maschinist Mr. Gregory tat seine Meinung kund, dass sie
die Kohle genauso gut für die Kohlenpfannen verwenden konnten, da man mit dem kargen Rest die Dampfmaschine ohnehin nur noch wenige Stunden betreiben konnte, falls wirklich irgendwann Tauwetter einsetzte, und verschwand wieder, um mehrere Kohlensäcke zu dem immer wilderen Treiben auf dem Eis hinausschaffen zu lassen; der alte Segelmacher Mr. Murray, der als eine Art Leichenbestatter mit einer Schädelmaske unter dem Kastorhut verkleidet war – eine Maske, die sich nicht besonders stark von seinem eigenen verhutzelten Gesicht abhob –, bat vielmals um Verzeihung und sodann um die Erlaubnis, zwei Klüver heraufzuholen, um einen Windschutz für die Kohlenpfannen zu errichten.
Die Kapitäne hatten die Meldungen entgegengenommen und ihre Zustimmung erteilt, Befehle und Ermahnungen ausgesprochen, ohne sich aus ihren whiskeyumnebelten Gedanken zu lösen.
Nachdem die beiden Kapitänsstewards Thomas Jopson und Edmung Hoar sowie die Leutnants Le Vesconte und Little – allesamt in merkwürdigen Kostümen, die sie über und unter ihren vielen Kleiderschichten trugen – hinab zur Großen Messe gestiegen waren, um zu verkünden, dass das Bärenfleisch schon fast fertig gebraten war und dass man besonders feine Stücke für die Kapitäne zurückgelegt hatte, wickelten sich Crozier und Fitzjames irgendwann zwischen elf und Mitternacht wieder in ihre Wetterplünnen, um an Deck und hinaus aufs Eis zu gehen.
Crozier bemerkte, dass er sturzbetrunken war. Normalerweise schränkte der Branntwein seine Fähigkeiten nicht ein, und die Männer waren es gewohnt, dass er nach Whiskey roch und trotzdem jeder Situation gewachsen war. Aber er hatte mehrere Nächte nicht geschlafen, und als er jetzt kurz vor Mitternacht hinaus in die schraubstockartige Kälte trat und auf die beleuchteten Zelte, den glühenden Eisberg und das Gedränge seltsamer
Gestalten zumarschierte, spürte Crozier förmlich, wie der Alkohol in seinem Bauch und seinem Gehirn brannte.
Ohne die zahllosen wilden Masken zu beachten, die an ihnen vorüberhuschten, traten die beiden Kapitäne in das offene blaue Gemach. Wortlos wanderten sie weiter durch die purpurne, die grüne und die orangefarbene Kammer, bis sie schließlich im weißen Gemach anlangten, wo der Bratrost aufgestellt war.
Crozier entging nicht, dass auch die meisten Männer betrunken waren. Wie war das zugegangen? Hatten sie ihre Grogzuteilungen gehortet? Oder das Ale, das ihnen zum Abendessen serviert wurde? Er wusste, dass sie nicht in die Spirituslast auf der Terror eingebrochen waren, weil Leutnant Little auf seinen Befehl hin sowohl am Morgen als auch am Nachmittag das Schloss überprüft hatte. Und die Spirituslast der Erebus war dank Sir John Franklin bereits leer gewesen, als sie in See stachen.
Dennoch mussten sich die Männer irgendwie Schnaps beschafft haben. Als Seemann mit vierzigjähriger Erfahrung, der als Schiffsjunge vor dem Mast gedient hatte, wusste Crozier, dass der Einfallsreichtum von Matrosen keine Grenzen kannte – zumindest wenn es darum ging, Alkohol herzustellen, zu horten und aufzustöbern.
Diggle und Wall brieten über offenem Feuer große Stücke Bärenfleisch, und Zinnteller mit dampfenden Portionen wurden von Leutnant Le Vesconte, der grinsend seinen Goldzahn aufblitzen ließ, sowie anderen Offizieren und Stewards beider Schiffe an die wartenden Männer verteilt. Der Duft des gebratenen Fleisches war unglaublich, und Crozier merkte, wie ihm reflexartig das Wasser im Mund zusammenlief, obwohl er sich geschworen hatte, nicht an diesem Festschmaus teilzunehmen.
Die Schlange der Wartenden teilte sich vor den beiden Kapitänen. Lumpensammler,
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