Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons

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grüne, das purpurne und das blaue Zimmer, bis er hinaus aufs offene Eis gelangte.
    Erst als er das Labyrinth aus bemaltem Segeltuch hinter sich gelassen hatte, konnte er wieder frei atmen.
    Die Kostümierten machten einen weiten Bogen um den finster dreinschauenden Kapitän, der nun auf die Erebus und die dunkle, dicht vermummte Gestalt am oberen Rand der Eisrampe zustrebte.
    »Guten Abend, James. Warst du schon in diesem … diesem …« Crozier fehlten die Worte, und so deutete er einfach auf die lärmende Stadt aus bunten Wänden und kunstvollem Tauwerk im hellen Schein der lodernden Fackeln und Kohlenpfannen.
    »Ja, ich hab’s gesehen«, erwiderte Fitzjames. »Ich würde sagen, die Männer haben unglaublichen Einfallsreichtum bewiesen.«
    Crozier blieb stumm.
    »Doch jetzt stellt sich die Frage«, fuhr der Kapitän der Erebus fort, »ob sie mit ihrem Geschick und ihrer vielen Arbeit der Expedition gedient haben … oder dem Teufel.«
    Crozier bemühte sich, unter dem schalumhüllten Mützenschirm die Augen seines Gegenübers zu erkennen. Er hatte keine Ahnung, ob Fitzjames’ Bemerkung als Scherz gemeint war. »Ich habe ihnen eingeschärft«, knurrte er, »dass sie keinen Tropfen Öl und kein zusätzliches Stück Kohle für diesen Karneval verbrauchen dürfen. Und jetzt schau dir diese Feuer an!«
    »Die Männer haben mir versichert, dass sie nur das Öl und die Kohle verwenden, die sie gespart haben, weil auf der Erebus in den letzten Wochen überhaupt nicht geheizt wurde.«
    »Und von wem stammt die Idee für diesen … Irrgarten? Diese farbigen Gemächer? Und für den schwarzen Raum am Ende?«
    Fitzjames stieß Rauch aus, nahm die Pfeife aus dem Mund und lächelte.»War alles die Idee des jungen Richard Aylmore.«

    »Aylmore?« Crozier erinnerte sich zwar an den Namen, aber kaum noch an den Mann. »Der Offizierssteward?«
    »Genau der.«
    Langsam fiel es Crozier wieder ein: ein kleiner, stiller Mann mit tiefliegenden, trübsinnigen Augen, einer pedantischen Stimme und einem flaumigen schwarzen Schnurrbart. »Und wie zum Henker ist er auf dieses ganze Zeug gekommen?«
    »Aylmore hat ein paar Jahre in den Vereinigten Staaten gelebt, bevor er 1844 nach Hause zurückgekehrt ist und sich zur Royal Navy gemeldet hat.« Der Stiel der Pfeife klapperte leise gegen Fitzjames’ Zähne.»Er sagt, dass er vor fünf Jahren irgendeine lächerliche Geschichte gelesen hat, in der ein Maskenball mit genau solchen farbigen Gemächern beschrieben wird. In Boston hat er es gelesen, als er bei seinem Cousin gewohnt hat. In einem Schundblatt namens Graham’s Magazine , wenn ich mich recht erinnere. Aylmore kann sich nicht mehr so genau an die Handlung der Geschichte erinnern, er weiß nur noch, dass es um einen seltsamen Maskenball geht, den ein Prinz Prospero gibt … Aber er ist sich ganz sicher, was die Reihenfolge der Zimmer angeht, die mit dem ebenholzschwarzen Gemach endet. Die Männer waren ganz begeistert von seiner Idee.«
    Crozier schüttelte nur stumm den Kopf.
    »Francis, auf diesem Schiff wurde unter dem Befehl von Sir John zwei Jahre und einen Monat lang kein Tropfen Alkohol getrunken. Trotzdem ist es mir damals gelungen, drei Flaschen feinsten Whiskey an Bord zu schmuggeln, die mir mein Vater geschenkt hatte. Ich habe noch eine Flasche übrig. Es wäre mir eine Ehre, wenn du sie heute Abend zusammen mit mir leeren würdest. Es dauert noch mindestens drei Stunden, bis die Bären fertig gebraten sind. Ich habe den Köchen Wall und Diggle die Erlaubnis erteilt, auf dem Eis zwei Walbootherde aufzustellen, um Beilagen wie Büchsengemüse warm zu machen. Außerdem wollen sie im sogenannten Weißen Gemach
einen großen Rost zum Braten des Bärenfleischs aufbauen. Es wird für uns das erste frische Fleisch seit über einem Vierteljahr sein. Darf ich dich also, bevor das Festmahl beginnt, unten in Sir Johns ehemaliger Kajüte zu dieser Flasche Whiskey einladen?«
    Crozier zögerte einen Moment, dann nickte er und folgte Fitzjames an Bord.

25
Crozier
    70°05′ NÖRDLICHE BREITE | 98°23′ WESTLICHE LÄNGE
31. DEZEMBER 1847 BIS 1. JANUAR 1848



    K urz vor Mitternacht gingen Crozier und Fitzjames wieder an Deck. In der Großen Messe der Erebus war es bitterkalt gewesen, doch die eisige Luft hier draußen in der Nacht schlug ihnen mit der Wucht eines körperlichen Angriffs entgegen. In den letzten zwei Stunden war eine leichte Brise aufgekommen. Fitzjames hatte den Vorschlag gemacht, und nach mehreren