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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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einem Blutvergießen gekommen, welches jenem in den sieben farbigen Kammern am Neujahrstage in nichts nachgestanden hätte.
    Doch er leistete keinen Widerstand. Soweit ich dies zu erkennen vermochte, verabreichte Bootsmannsmaat Johnson die endlose Reihe von
Peitschenhieben mit der gleichen Kraft und Strenge, wie er es bei Aylmore geübt. Schon beim ersten Schlage strömte das Blut. Manson schrie nicht. Er that etwas viel Schlimmeres. Kaum daß ihn die Lederriemen berührt hatten, fing er an zu weinen wie ein Kind. Er schluchzte herzergreifend. Doch nach Verabfolgung der Strafe konnte sich Manson zwischen den beiden Matrosen, welche ihn zum Lazarette geleiteten, auf den Beinen halten, wenngleich er sich wie stets bücken mußte, um sich nicht den Kopf an den Balken anzustoßen. Als er an mir vorüberkam, bemerkte ich, daß ihm zwischen den kreuz und quer verlaufenden Striemen die Haut in Fetzen vom Leibe hing.
    Hickey, der kleinste Mann unter den Bestraften, gab während der langen Züchtigungsprocedur kaum einen Laut von sich. Sein schmaler Rücken wurde von den Hieben noch stärker zerschunden, als dies bei den anderen zwey Delinquenten der Fall gewesen, aber er schrie nicht ein einziges Mal. Und er fiel auch nicht in Ohnmacht. Der schmächtige Kalfaterersmaat schien sich im Geiste von der Gräting und dem Unterdeck entfernt zu haben, und sein starrer, zorniger Blick verharrte auf irgendeinem jenseitigen Puncte, den nur er zu sehen vermochte. Seine einzige Reaction auf die grausame Auspeitschung bestand darin, daß er zwischen den einzelnen Schlägen der Katze ächzend Athem holte.
    Ohne den Beistand der Matrosen an seiner Seite zu dulden, begab er sich nach achtern ins Lazarett.
    Capitain Crozier verkündete, daß damit der Gerechtigkeit gemäß der Schiffsordnung Genüge gethan sey, und löste die Versammlung auf. Bevor ich mich auf den Weg ins Lazarett machte, trat ich kurz an Deck, um den Aufbruch der Männer von der Terror zu verfolgen. Sie stiegen die Eisrampe hinab und begannen den langen Marsch durch die Finsterniß zurück zu ihrem Schiffe. Ihr Weg führte sie an dem versengten und zum Theile aufgethauten Platz vorbei, auf welchem die Feuersbrunst gewüthet hatte. Crozier und sein Stellvertreter Leutnant Little bildeten die Nachhut. Keiner der über dreyßig Männer hatte ein Wort gesagt, als sie aus dem kleinen Lichtkreise verschwanden, welchen die Deckslaternen der Erebus auf das Eis warfen. Acht Seeleute blieben als eine Art Escorte
zurück, um Hickey und Manson zur Terror zu geleiten, sobald sie dazu im Stande waren.
    Nun sputete ich mich, um mich meiner neuen Patienten im Lazarett anzunehmen. Doch obgleich die neunschwänzige Katze eine Myriade gräßlicher Schrammen und Striemen auf dem Rücken der Männer hinterlassen hatte, von denen sich gewiß so manche zu Narben verwachsen werden, vermochte ich kaum mehr für sie zu thun, als ihre Wunden zu waschen und zu verbinden. Manson weinte nicht mehr, und als ihn Hickey anfuhr, er möge sein »Rotzen« beenden, that der Hüne auch sogleich wie geheißen. Nachdem der Kalfaterersmaat meine Behandlung stumm hatte über sich ergehen lassen, forderte er Manson in schroffem Tone auf, sich anzukleiden und mit ihm aufzubrechen.
    Dem Officierssteward Aylmore hatte die Züchtigung jeglichen Mannesmuth geraubt. Sobald er aus seiner Ohnmacht erwacht war, so erfuhr ich von dem jungen Henry Lloyd, meinem derzeitigen Gehülfen, that Aylmore nichts anderes, als zu stöhnen und laut zu schreien. Auch als ich ihn wusch und verband, ließ er nicht davon ab. Er jammerte noch immer kläglich und schien keines selbständigen Schrittes fähig, als ihn mehrere andere Unterofficiere – der bejahrte Subalternofficierssteward John Bridgens, der Capitainssteward Mr. Hoar, der Steuermannsmaat Mr. Bell und der Bootsmannsmaat Samuel Brown – abholten, um ihn zurück ins Mannschaftslogis zu begleiten.
    Ich hörte Aylmore immerfort seufzen und wimmern, als ihn die Männer durch den Gang zu seiner Koje auf der Steuerbordseite trugen, welche sich zwischen William Fowlers leerer Kajüte und der meinigen befindet. Ich fürchtete bereits, daß Aylmores Schreie die ganze Nacht durch die dünne Wand an mein Ohr dringen würden.
    »Mr. Aylmore liest viel«, bemerkte William Fowler von seiner Pritsche im Lazarett aus. Der Zahlmeistersteward hatte in der Brandnacht schwere Verbrennungen und Verletzungen erlitten, indeß kein einziges Mal während der vergangenen vier Tage aufgeschrien, obschon

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