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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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amerikanischen Schriftsteller?«
    »Der Kerl, dem der kleine Dickie Aylmore fünfzig Peitschenhiebe zu verdanken hat, weil er unseren denkwürdigen Karneval mit solch phantasievollen Dekorationen ausgestattet hat. Ein sonderbarer Bursche namens Poe, wenn mich mein Gedächtnis nicht im Stich lässt. Ziemlich melancholisches und krankhaftes Zeug mit einem deutlichen Hang zum Makabren. Alles in allem nicht besonders gut, aber auf eine unbestimmbare Weise sehr amerikanisch. Die verhängnisvolle Geschichte, die zu der Züchtigung geführt hat, kenne ich allerdings nicht.«
    Peglar nickte. Sein Fuß stieß gegen etwas im Schnee, und er bückte sich danach.
    Es war der Bärenschädel, der über Sir Johns Standuhr gehangen hatte. Auch er hatte die Flammen nicht unbeschadet überstanden. Fleisch, Pelz und Haar waren verschwunden, das Gebein war rußgeschwärzt, die Augenhöhlen waren leer, nur die Zähne schimmerten noch elfenbeinfarben.
    »Ach, das würde Mr. Poe bestimmt gefallen«, rief Bridgens.
    Peglar ließ den Schädel fallen. Vermutlich war er unter Eisstücken versteckt gewesen, als die Reinigungstrupps hier gearbeitet hatten.
    Nach weiteren fünfundzwanzig Faden erreichten er und Bridgens den höchsten Pressrücken der Gegend. Als sie hinaufkletterten, musste Peglar dem Älteren immer wieder die Hand reichen, um ihm zu helfen.
    Schwer keuchend ließ sich Bridgens auf eine flache Platte am Gipfel des Kamms sinken. Selbst Peglar, normalerweise so stark
wie einer der olympischen Athleten aus dem Altertum, von denen er gelesen hatte, musste mehr schnaufen als üblich. Zu viele Monate ohne körperliche Arbeit , dachte er.
    Am südlichen Horizont hing ein gedämpftes, verwaschenes Gelb, und die meisten Sterne in dieser Himmelshälfte waren verblasst.
    »Ich kann nicht glauben, dass sie endlich wiederkommt«, sagte Peglar.
    Bridgens nickte.
    Und plötzlich war es so weit: Die rotgoldene Scheibe erhob sich zögernd über dunklen Massen im fernen Süden, dem Anschein nach Hügel, aber in Wirklichkeit tiefhängende Wolken. Peglar konnte den Jubel der gut dreißig Männer an Deck der Erebus aufbranden hören und dann, in der kalten und windstillen Luft, wie ein Echo den leiseren Jubel von der Terror , die eine knappe Meile östlich gerade noch zu sehen war.
    »Und ihnen erschien die rosenfingrige Eos«, zitierte Bridgens auf Griechisch.
    Peglar lächelte, leicht erstaunt darüber, dass er sich noch an diesen Satz erinnerte. Es war schon einige Jahre her, dass er die Ilias oder einen anderen griechischen Text gelesen hatte. Aber er wusste noch genau, wie begeistert er über seine erste Begegnung mit dieser Sprache und Troja samt seinen Helden war, als die Beagle vor sechzehn Jahren in den Kapverden an der Vulkaninsel São Tiago vor Anker lag.
    Als hätte er seine Gedanken gelesen, fragte Bridgens: »Erinnerst du dich noch an Mr. Darwin?«
    »An den jungen Naturforscher, der Kapitän FitzRoys bevorzugter Gesprächspartner war? Natürlich. Fünf gemeinsame Jahre auf einem kleinen Schiff hinterlassen Spuren, auch wenn er im Gegensatz zu mir ein feiner Herr war.«
    »Welchen Eindruck hattest du von ihm?« Bridgens stieg das Wasser in die hellblauen Augen, entweder aus Freude über die
Rückkehr der Sonne oder nur als Reaktion auf das ungewohnte, wenngleich schwache Licht. Die rote Scheibe hatte sich noch nicht völlig aus den dunklen Wolken gelöst, als sie schon wieder nach unten zu wandern begann.
    »Von Mr. Darwin?« Auch Peglar zwinkerte jetzt, aber mehr, um sich den dünnen, jungen Naturforscher wieder ins Gedächtnis zu rufen, als wegen des wunderbaren Sonnenschauspiels. »Für einen feinen Herrn fand ich ihn sehr angenehm. Er konnte sich von Herzen für alles begeistern. Hat die Männer ganz schön auf Trab gehalten mit dem Transportieren und dem Verpacken von all diesen toten Tieren. Irgendwann dachte ich, allein mit den Finken macht er uns das ganze Lastdeck voll. Aber er hatte auch keine Scheu davor, selbst mit anzufassen. Einmal, weißt du noch, da hat er sich an die Riemen gesetzt und gepullt, wie wir die Beagle flussaufwärts schleppen mussten. Ein anderes Mal hat er ein Boot vor der Flut gerettet. Und einmal vor der Küste von Chile, glaube ich, sind Wale neben uns hergeschwommen, da ist er ganz allein rauf zur Bramsaling geklettert, um sie besser beobachten zu können. Später musste ich ihm dann runterhelfen, aber zuerst hat er mit fliegenden Rockschößen da oben gesessen und durch sein Fernrohr die Wale

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