Terror
das zu.
Das Krachen, Knattern, Knallen, Grollen und Dröhnen, das ihnen Tag und Nacht in den Ohren klang, war ihre einzige Hoffnung. Das Eis war in starkem Aufruhr. Hin und wieder öffneten sich weit draußen kleine Rinnen, die mehrere Stunden bestehen
blieben. Dann schlossen sie sich wieder mit einem donnernden Schlag. In wenigen Sekunden schossen dreißig Fuß große Pressrücken in die Höhe. Später stürzten sie wieder ein, wenn neue Hügel nach oben stießen. Der Druck ließ ganze Eisberge zerplatzen.
Es ist erst der 13. August . Das Dumme an diesem Gedanken war nur, dass es angesichts der fortgeschrittenen Jahreszeit mit noch größerer Berechtigung hätte heißen können: Es ist schon der 13. August. Der Winter rückte unbarmherzig näher. Die Erebus und Terror waren im September 1846 vor King-William-Land eingefroren, und danach hatte das Unheil seinen Lauf genommen.
Es ist erst der 13. August , sagte sich Crozier erneut. Zeit genug, wenn ihnen nur ein kleines Wunder weiterhalf, um die geschätzten fünfundsiebzig Meilen bis zur Mündung des Großen Fischflusses zu segeln, zu rudern und vielleicht kleinere Abschnitte auch zu marschieren. Dort konnten sie die Boote für die Fahrt flussaufwärts takeln. Mit ein wenig Glück war der Meeresarm jenseits der von hier aus sichtbaren weißen Wüste über eine Strecke von sechzig Meilen frei von Eis, weil Backs Fluss sommerlich warmes Hochwasser heranführte. Danach auf dem Fluss war es jeden Tag ein Wettlauf gegen den herannahenden Winter, aber die Fahrt war immer noch möglich.
Theoretisch.
An diesem Vormittag – einem Sonntag, wenn Crozier nicht den Überblick verloren hatte – nahm Goodsir mit Hilfe seines neuen Gehilfen Thomas Hartnell die letzte Amputation vor. Anschließend wollte Crozier die Männer zu einer Art Gottesdienst zusammenrufen.
Im Rahmen dieser Messe würde er ankündigen, dass Goodsir mit den Versehrten und Skorbutkranken zurückblieb und dass er, der Kapitän, vorhatte, schon in der nächsten Woche mit einigen der Gesünderen und mindestens zwei Booten nach Süden aufzubrechen, ob sich das Eis nun öffnete oder nicht.
Wenn Reuben Male, Hodgson, Sinclair oder die Hickey-Verschwörer andere Pläne vorschlugen, ohne dabei seine Befehlsgewalt in Frage zu stellen, war Crozier bereit, darüber zu reden und sie auch ziehen zu lassen. Je weniger Männer im Rettungslager blieben, desto besser, vor allem wenn er dadurch die schwarzen Schafe loswurde.
Aus dem Lazarettzelt drangen Schreie, als Goodsir mit der Operation an Mr. Diggles brandigem linkem Fuß und Knöchel begann.
Mit den Waffen in seinen Taschen machte sich Crozier auf die Suche nach Thomas Johnson, der die Männer zusammenholen sollte.
Mr. Diggle, der beliebteste Mann der gesamten Expedition, der sich schon auf vielen Fahrten Croziers zu beiden Polen als Koch bewährt hatte, starb unmittelbar nach der Amputation an Blutverlust und Komplikationen. Wenige Minuten später begann der Zählappell.
Immer wenn die Überlebenden mehr als zwei Tage in einem Lager verbrachten, zog ein Bootsmannsmaat an einer relativ großen, flachen Stelle einen Stock durch das Geröll und den Schnee, um die Umrisse eines Schiffsdecks anzudeuten. So konnten sich die Männer an etwas Vertrautem orientieren und während des Appells korrekt Aufstellung nehmen. In den ersten
Tagen im Terror -Lager und danach hatte noch großes Durcheinander geherrscht, da sich über hundert Seeleute von zwei Schiffen auf dem gedachten Deck eines einzigen Schiffs drängten. Aber nach den herben Verlusten der letzten Monate war die Besatzung schon beinahe auf die eines einzigen Schiffs geschrumpft.
In der Stille nach dem Aufruf und vor Croziers kurzer Lesung aus der Heiligen Schrift ließ der Kapitän den Blick über die
Reihen von zerlumpten, bärtigen, bleichen, schmutzigen, hohläugigen Gestalten wandern, die sich um stramme Haltung bemühten, aber tatsächlich so zusammengesunken dastanden wie müde Affen.
Von den dreizehn Offizieren der Erebus waren neun tot: Sir John, Commander Fitzjames, Leutnant Graham Gore, Leutnant H.T.D. Le Vesconte, Leutnant Fairholme, der Erste Unterleutnant Sargent, der Zweite Steuermann Collins, der Eislotse Reid und der Schiffsarzt Stanley. Die überlebenden Offiziere waren der Zweite und der Dritte Unterleutnant Des Voeux und Couch, der Assistenzarzt Goodsir, der sich gerade in noch müderer Haltung als die anderen und mit niedergeschlagenem Blick dazugesellte, und der Zahlmeister
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